CHRISTOPH BIERMANN | LEISE OPTIMISTISCH, DASS ES PASSIERT
Foto: Christoph Biermann

Interview: David Wienand

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Lesenden Fußballfans ist der Journalist und Autor Christoph Biermann schon seit vielen Jahren ein Begriff. Buchveröffentlichungen wie „Wenn du am Spieltag beerdigt wirst, kann ich leider nicht kommen“, „Meine Tage als Spitzenreiter“ oder „Wie ich einmal vergaß, Schalke zu hassen“ sind ebenso spannende, wie fach- und sachkundige Standard- Lektüren. Seine Sport- und Fußball-Artikel und -Kolumnen für den „Stern“, die „Zeit“, die „Süddeutsche Zeitung“, „Der Spiegel-Online“ und besonders das „11 Freunde“-Fachmagazin sind viel gelesen und beachtet. Der in Herne aufgewachsene, anschließend in Bochum studierende, nun in Berlin lebende und nach wie vor dem VfL Bochum 1848 tief verbundene Fußball-Fachmann hat soeben ein neues Buch, „Wir werden ewig leben – Mein unglaubliches Jahr mit dem FC Union Berlin“, veröffentlicht. David Wienand traf ihn zum Interview.

Gerade, während wir reden, läuft das CL-Spiel Bayern gegen Paris. Interessieren dich internationale Spiele wie diese und Superstars wie Neymar, Mbappé und Neuer eigentlich mehr als der deutsche Fußballalltag in Liga 1 und 2?
Spiele wie diese interessieren mich nicht mehr, aber auch. Das ist fast so wie zwei Fußballwelten, die nichts miteinander zu tun haben. Auf der einen Seite ist dieser Superstar-Fußball, den ich mir gerne anschaue, weil es sich um außergewöhnliche Fußballer in außergewöhnlichen Mannschaften handelt, auf der anderen Seite ist da aber nicht zwangsläufig mein Herz mit dabei. Ein Zweitliga-Spiel des VfL Bochum ist natürlich eine ganz andere Sache.

Wie bist du zum Sportjournalismus gekommen?
Dazu gekommen bin ich über das Bochumer Stadtmagazin „Guckloch“, aus dem später das „Prinz“ hervorging. Da habe ich eine Sportseite erfunden, weil Sport in dem Magazin damals nicht vorkam. Sport und besonders der Fußball haben mich immer neben der Musik am meisten interessiert.

In deinem neuen Buch „Wir werden ewig leben - Mein unglaubliches Jahr mit dem FC Union Berlin“ geht es um dein Jahr mit all seinen Erlebnissen und Erfahrungen, die du beinahe rund um die Uhr als Begleiter aller Menschen – Spieler, Verantwortliche, Vereinsmitarbeiter und Fans – beim Berliner Traditionsclub Union Berlin erlebt hast. Wie bist du überhaupt auf eine solche Idee gekommen?
So etwas wollte ich eigentlich immer schon machen, weil du als Journalist ja eigentlich immer nur die Gele-genheit hast, von außen auf die Dinge zu schauen. Im Basketball bei Alba Berlin hat es einmal eine solche Aktion gegeben und das hat mich noch mehr in meinem Vorhaben bestärkt. Die Gelegenheit hat sich dann für mich im dem Moment ergeben, als Union Berlin vor anderthalb Jahren in die Bundesliga aufgestiegen ist. Mir war klar, dass das für den Verein nicht irgendein Aufstieg war, sondern der allererste in die Bundesliga und von daher eher die Gelegenheit gegeben wäre, dass sich die Türen für das, was mir vorschwebte, öffnen würden und so ist es ja dann auch gekommen.

Was war für dich aufregender: live rund um die Uhr bei den Eisernen zu sein oder anschließend das Erlebte in Worte zu fassen?
Gute Frage. Beides hatte seine eigenen „Aufregungen“. Auf der einen Seite mit einem Verein eine ganze Saison mit zu „leben“, also auch Stimmungsschwankungen mitzubekommen, das ist total faszinierend und man wird da auch selber mitgezogen. Für das alles beim Schreiben den richtigen Ton zu finden, die Geschichten richtig aufzubauen und zu strukturieren, das war durchaus auch eine anstrengende Aufgabe, zumal das Buch rechtzeitig nach dem Saisonende fertig sein musste.

Weil du in Berlin lebst, mussten es wohl die Unioner sein, die du auf Schritt und Tritt begleiten konntest. Bestimmt wären dir als langjährigem und bekennenden VfL Bochum-Fan zwölf Monate Seite an Seite mit Thomas Reis, Sebastian Schindzielorz, Danilo Soarez und Simon Zoller noch lieber gewesen, oder?
Vor ca. drei bis vier Jahren hatte ich mit dem VfL tatsächlich mal über ein solches Projekt gesprochen. Damals war Christian Hochstätter der Sportvorstand, Sebastian Schindzielorz sein Stellvertreter und Gertjan Verbeek der Trainer. Erstaunlicherweise war der VfL im Prinzip bereit dazu. Das Ganze ist dann aber letztendlich an mir gescheitert, weil mir klar geworden ist, dass ich da sehr viel Zeit verbringen muss und ich hätte nach Bochum ziehen und meinen Job aufgeben müssen. Das war für mich schlichtweg nicht möglich und vielleicht ist es ja auch ganz gut, wenn man einen Club begleitet, von dem man nicht Fan ist und sich deshalb noch ein bisschen besser einen Außenblick bewahren kann.

Zuletzt hast du mit dem Bochumer Fußball-Fachmann Frank Goosen in dessen Format „Goosen und Gäste - Unterhaltung mit Büchern“ über dein neues Buch und mehr geplaudert. Es schien, als habt ihr euch gut verstanden und das nicht nur, weil ihr beide eine VfL- „Vergangenheit“ habt.
Ja, das stimmt. Wir kennen uns natürlich auch schon länger, weil wir beide VfL-Glaubensbrüder sind. Ich finde es ganz toll, dass er da eine Art von Fernsehsendung, sehr hochwertig produziert, auf die Beine gestellt hat und ich bin wirklich sehr gerne zu ihm gekommen, zumal das an einem Sonntag war und ich so auch die Gelegenheit hatte, mir ein Spiel des VfL Bochum anzuschauen.

Diese Frage muss sein: Wird der VfL Bochum in der Saison 2021/2022 seine Spiele in der 1. Fußball- Bundesliga – und dann auch gegen Union Berlin – austragen?
Ich weiß es zwar nicht, aber ich wünsche es mir. Ich bin leise optimistisch, dass es passieren wird.

VfL gegen Union – für wen schlägt dann das Herz von Christoph Biermann?
Ich habe meinen Unioner schon gesagt, dass ich ihnen, wenn der VfL aufsteigt, nur in 32 von 34 Spielen die Daumen drücken kann. Das ist von ihnen auch akzeptiert worden. Über meine Arbeit bei und mit Union Berlin habe ich viele Sympathien für den Club entwickelt, für die Leute, die dort arbeiten und auch für die Fans, die ich getroffen habe, aber ich bin darüber nicht selber zum Union-Fan geworden. Weil die Unioner jedoch alle auch Fußballfans sind, werden sie das verstehen und auch akzeptieren.