bochum macht spaß
Foto: Pressseamt Stadt Bochum

Ein Blick zurück mit Frank Bieberschulte

Text:

Frank Bieberschulte

Fotos:

Presseamt Stadt Bochum

Foto: Pressseamt Stadt Bochum

Wir hatten in einer der ersten Ausgaben von bochum macht spaß das Kaufhaus Kortum schon einmal kurz vorgestellt, doch nun hat sich unser Mitarbeiter Frank Bieberschulte einmal die Zeit genommen, um seine ganz persönlichen Erlebnisse und Erfahrungen mit diesem wunderschönen Prachtbau aufzuarbeiten. Ein wunderbarer Blick zurück.

Zunächst einmal sollte man erwähnen, dass diese Erinnerungen aus einer Zeit stammen, als man noch nicht shoppen ging, sondern einkaufen. Wenn man das Einkaufen an einen besonderen Ort, also außerhalb des Stadtteils, in dem man lebte, verlagern wollte, da fuhr man „in die Stadt“ und das war das „Erlebniseinkaufen“. Ich fuhr als Kind öfter mit meiner Mutter in die Stadt. Dem Umstand des „Arbeiten müssen“ geschuldet war mein Vater seltener dabei. Diese Ausflüge waren immer etwas Besonderes, zum einen, weil man die gute Jacke angezogen bekam und zum anderen hoffte man, etwas Schönes zu bekommen. In der Stadt angekommen gab es mehrere aufregende Anlaufpunkte. Besonders war es natürlich immer dann, wenn es dabei um mich ging, also wenn ich etwas bekam, was es sonst nicht gab, sondern nur in der Stadt und um den ersten dieser Anlaufpunkte geht es hier nun.

Das Kortum-Haus machte schon von außen erheblichen Eindruck und wenn man das Haus mit seinen Galerien und Lichthöfen betrat, dann noch viel mehr. Ich erinnere mich noch an die Gänge, die durch das Haus und zum Warenangebot führten. Da in meiner Kindheit Selbstbedienung noch ein Fremdwort war und Beratung und Service groß geschrieben wurden, stand dort vor den Waren immer eine speziell für die Abteilung geschulte Verkäuferin, welche damals gerne mit „Fräulein“ angesprochen wurden. Diese nahm auf Nachfrage z.B. einen Pullover in der richtigen Größe, Farbe und dem gewünschten Material aus dem Regal hinter sich und präsentierte diesen dem Kunden auf der dafür extra vorgesehenen Präsentationstheke. Fachfragen wurden schnell und kompetent beantwortet und wenn man etwas gekauft hatte, verließ man das Haus mit einem guten Gefühl. Wem das aus heutiger Sicht ein bisschen viel an Personal erscheint, 1200 Menschen fanden hier in den 1960-er Jahren eine „Anstellung“, wie es damals hieß. Laut Kortumgesellschaft besaß das Haus zu dieser Zeit angeblich das beste Warensortiment im Ruhrgebiet und dafür brauchte man viele Angestellte. Je nachdem, von welcher Seite man das Haus betrat, hatte man die Wahl zwischen einer größeren und einer etwas kleineren Rolltreppe, um in die oberen Geschosse zu gelangen.
Mit meiner Mutter betrat ich allerdings meist den Fahrstuhl, in dem wir beim Öffnen der Tür freundlich von einem Fahrstuhlführer in Uniform begrüßt wurden, der uns, nachdem er unseren Abteilungswunsch erfragt hatte, in die gewünschte Etage brachte. Wenn ich später mal alleine unterwegs war, wählte ich dennoch oft die dritte Variante, um nach oben zu kommen, nämlich die altehrwürdige Holztreppe, die sich zwischen den Fahrstühlen befand. Sie war komplett mit Holz und Marmor ausgestattet und man hatte bereits damals das Gefühl, dass man hier besser nicht rannte oder sprang (auch ohne, dass ein Erwachsener etwas sagen musste).

Die Zwischenebenen waren mit Schaukästen versehen und es machte großen Spaß, die Treppe zu nehmen. In den oberen Etagen befanden sich für mich noch weitere Highlights. So konnte man sich in der dritten Etage, im sogenannten „Erfrischungsraum“, ein wenig Erholung verschaffen, wobei das Wort „Erfrischungsraum“ der Restauration aber bei Weitem nicht gerecht wurde, denn diese Räumlichkeit war eher ein kleiner Saal, auf jeden Fall aber ein Restaurant. Die Speisekarte wurde noch von der Kellnerin gereicht und wenn man sich dort am Nachmittag auf eine Tasse Kaffee eingefunden hatte, konnte man sich an der Kuchentheke ein passendes Stück Schwarzwälder Torte oder Bienenstich dazu bestellen. Normalerweise gingen meine Mutter und ich ja auf eine Bockwurst in die Kaufhalle, was für mich alleine schon ein Grund zur Freude war, doch wenn wir hier einkehrten, war das schon etwas ganz Besonderes. Für den Bananen-Shake beispielsweise wurde noch eine echte Banane mit der Gabel zerdrückt, das hatte Stil. In der vierten Etage erwartete mich mein persönliches Highlight in Form der Spielzeugabteilung. Ich erinnere mich besonders an die mannshohe Vitrine mit den teuren Elastolin Figuren, die, glaube ich, handbemalt waren und zu der Zeit von Indianern und Cowboys dominiert wurden. Da kostete eine Figur zwischen drei bis fünf D-Mark, im Gegensatz zu den eher einfach hergestellten Plastikfiguren von Timpo, die mit ca. 50 Pfennig deutlich preiswerter daherkamen (aber trotzdem cool ausschauten).
Meine Mutter rief mich dann irgendwann zu sich und hielt für mich 10 Pfennig bereit, die sie mir in die Hand drückte. Diese warf ich dann auf eine kleine Abschiedsmelodie in die „Bimbo-Box“, in der sich verschiedene Tiere mit Musikinstrumenten in der Hand zur Musik bewegten. Das war immer wieder schön und ich kenne kein Kind, das diese Kiste nicht geliebt hat. Diese Box hielt sich tatsächlich bis zum Schluss im Kortum-Haus und es gab bestimmt nicht wenige Väter und Mütter, die später ihre Kinder ein wenig zum Einwurf des Geldes „nötigten“, um noch einmal in den Genuss einer peinlichkeitsfreien Vorführung für Erwachsene zu kommen (heute im Übrigen noch im Haus Kemnade zu besichtigen und auch über die Box berichteten wir bereits in einer älteren Ausgabe).
Zum Abschluss unseres Besuchs suchten wir meist die Lebensmittelabteilung auf, die ganz oben angesiedelt war und sich durch eine Besonderheit in der Darreichungsform der Waren auszeichnete. Man war nämlich nicht an Packungsgrößen oder die heutigen „Megapacks“ gebunden, denn viele der Artikel wurden „lose“ angeboten und verkauft: Butter, Mehl, Zucker, Erbsen, natürlich Kaffee, aber auch Kekse, Schokolade vom Stück, Eier oder Milch. Alles wurde nach Wunsch abgewogen und individuell verpackt. Man konnte im Grunde mit dem Rezept für Marmorkuchen zu Kortum gehen und sich dort die Zutaten in der Menge geben lassen, die man brauchte. Sensationell und vielleicht für die heutige Wegwerfgesellschaft auch nochmal zu überdenken. Aus Kindersicht sind wohl noch die zur Weihnachtszeit festlich und „kindgerecht“ geschmückten Schaufenster zu erwähnen, die sicher dazu beitrugen, dass viele Eltern zunächst an die Schaufenster und dann ins Kaufhaus „gezogen“ wurden. Ende der 1980-er Jahre wollte man das Haus nicht nur dem Zeitgeist anpassen, sondern vor allem die Kosten reduzieren und so entschloss man sich, Fremdfirmen die Türen zu öffnen, die sich zwar ins Gesamtbild des Kaufhauses einzufügen hatten, aber dennoch quasi das erste „Shop-in-Shop-System“ Bild prägten. Lotto und Zeitschriften, sowie Porzellan und nicht zu vergessen Schallplatten und CDs waren unter anderen fortan Gastabteilungen im Kaufhaus.
Ein weiterer Höhepunkt sollte Anfang der 1990-er Jahre noch die Dreharbeiten zu Dieter Wedels Vierteiler „Der große Bellheim“ mit Mario Adorf werden. Ganz Bochum konnte den Sendetermin kaum erwarten und wer genau hinsah, konnte so Einiges aus „seinem“ Kortum-Haus erkennen, obwohl es laut Film in Hannover spielte. Mitte der 1990-er Jahre wurde das Haus dann unter Denkmalschutz gestellt.
Zahlreiche Umbauten und Fremdvermietungen in den darauffolgenden Jahren konnten das Kaufhaus leider nicht vor dem Niedergang bewahren. Heute ist es vor allem von außen immer noch eine opulente Erscheinung und Herberge eines großen Elektrofachmarktes, doch dieser Charme, der Holzgeruch der Treppe, die opulenten Weihnachts - und Maiabendfest-Dekorationen, dieser
„Boah“ Effekt, der mich als Kind stets umgab, sobald ich einen Fuß in das Haus setzte, ist mit den Umbauten komplett zerstört worden. Spätestens mit dem letzten Umbau verschwand im Inneren all das, was an das alte, das „echte“ Kaufhaus Kortum erinnerte und das ist leider alles, was uns bleibt: Die Erinnerung, aber die ist schön.