bochum macht spaß
Foto: Finanzamt Bochum

INTERVIEW | FINANZAMT BOCHUM-MITTE

Foto: Finanzamt Bochum

Text: Oliver Bartkowski
Fotos: Finanzamt Bochum

INTERVIEW | FINANZAMT BOCHUM-MITTE

Wie ist so eine Tätigkeit beim Finanzamt? Wie kommt man dazu? Ist es spannend? Ist es langweilig? Business as usual? Verliert man nach einiger Zeit seinen Humor? Macht es Spaß, Menschen zu ärgern? Geht man zum Lachen in den Keller? Fragen über Fragen und ganz bestimmt ist es erlaubt, an dieser Stelle schon etwas zu spoilern: Es geht vor allem um Gerechtigkeit gegen über den ehrlichen Steuerzahlerinnen und -zahlern. Auch seinen Humor verliert man bei dieser Tätigkeit ganz sicher nicht, denn auch ein Bäcker, der nachts um 3 mit der Arbeit anfängt, hat nach Schichtende am späten Vormittag seinen Humor nicht verloren. Anja Niemann ist seit 2020 die neue Dienststellenleiterin des Finanzamts Bochum-Mitte, und sie war bereit, uns einen Einblick in ihre durchaus spannende Arbeit zu gewähren.

Frau Niemann, erst einmal herzlichen Dank dafür, dass wir Sie unseren Leserinnen und Lesern etwas genauer vorstellen dürfen. Sie haben Ihre Tätigkeit als Amtsleiterin in Bochum in der schweren Corona-Zeit angetreten. Wie kam es denn dazu, dass ausgerechnet in der Corona-Hochphase eine neue Amtsleiterin gesucht wurde und vor allem, was gab den Ausschlag für Ihre Bewerbung?
Ich habe tatsächlich mitten in der Corona-Pandemie, nämlich zum 1. Oktober 2020, die Leitung des Finanzamts Bochum- Mitte übernommen. Damals wurde eine neue Leitung gesucht, weil meine Vorgängerin in den Ruhestand trat und die Lücke schnell wieder zu schließen war. Ich habe nicht lange gezögert und die Aufgabe mit all ihren Herausforderungen sehr gerne übernommen.

Sie haben in verschiedenen Stellen und Finanzämtern gearbeitet. Warum haben Sie sich damals für diesen Berufsweg entschieden? Sind Sie interessiert an Zahlen, lockte Sie auch die Möglichkeit, für Gerechtigkeit zu sorgen, oder war das eine spontane Entscheidung für diese Karriere?
Ich bin unmittelbar nach meinem juristischen Studium und Referendariat vor inzwischen fast 21 Jahren hier in der Finanzverwaltung NRW in das Berufsleben gestartet. Für einen Konzern oder einen anderen Arbeitgeber außerhalb der Verwaltung war ich nie tätig. Meine persönliche Motivation, für die Finanzverwaltung zu arbeiten, lag zum einen an dem breit gefächerten Aufgabenspektrum, das Juristen hier geboten wird. Dieses Spektrum verbindet nämlich die steuerfachliche Tätigkeit mit der Personalverantwortung als Führungskraft. Zum anderen ist das Wort Steuergerechtigkeit für mich in der Tat keine leere Floskel. Für die Steuergesetzgebung trage ich zwar keine Verantwortung, aber in der Umsetzung dazu beitragen zu können, dass es ‚mit rechten Dingen zugeht‘ und jeder entsprechend der rechtlichen Vorgaben seinen Beitrag für das Gemeinwesen leistet, das ist für mich sinnstiftend und motivierend zugleich.

Ist es auf Dauer nicht deprimierend, mit Steuerstrafsachen und Steuerfahndung zu tun zu haben? Wir sprechen doch bestimmt nicht über eine Arbeit, die die Seele beflügelt und die Lachmuskeln strapaziert. Oder täusche ich mich da?
Steuerunehrlichkeit aufzudecken, damit ‚der Ehrliche nicht der Dumme ist‘, ist für mich alles andere als deprimierend. In meinen vorherigen Stationen in der Finanzverwaltung war ich auch schon unmittelbar mit dieser Aufgabe betraut, so unter anderem beim Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung Bochum. Das Finanzamt Bochum-Mitte – ebenso wie im Übrigen auch unser Schwesteramt Bochum- Süd – ist nicht unmittelbar für die Ermittlungen zuständig, da es in NRW hierfür die Experten in den Spezialämtern gibt. Zum Jahreswechsel 2023/2024 ist zudem das Landesamt zur Bekämpfung der Finanzkriminalität Nordrhein-Westfalen (LBF NRW) an den Start gegangen, das zu Beginn des kommenden Jahres die gesamte Steuerfahndung im Land organisatorisch bündeln wird. Im Finanzamt Bochum-Mitte kümmern wir uns um sämtliche Aufgaben rund um die Festsetzung und Erhebung, sprich Vereinnahmung, von Steuern. Das bedeutet, dass wir insbesondere die Steuererklärungen der Bürgerinnen und Bürger und auch der Bochumer Unternehmerschaft bearbeiten. Darüber hinaus gibt es aber noch vielfältige weitere Aufgaben, wie z. B. die Bearbeitung der Voranmeldungen im Bereich der Lohn- und Umsatzsteuer, die Bearbeitung und Abwicklung von Rechtsbehelfen, die Durchführung von Außenprüfungen oder auch die Festsetzung der Grunderwerbsteuer bei der Veräußerung von Grundstücken.

Ich vermute aber, dass Sie ihren Humor nicht verloren haben, oder?
Ich bin ein optimistisch denkender Mensch mit Spaß an der Arbeit, bei der auch gerne mal gelacht werden darf. Also nein, meinen Humor habe ich – so glaube ich – noch nie verloren.

In Bochum beschweren sich immer mehr Bürgerinnen und Bürger über die sogenannten Shisha-Bars und Billigfriseure, die mittlerweile das Stadtbild massiv prägen. Immer wieder gibt es Razzien in diesen Geschäften und Innenminister Reul verspricht ein hartes Durchgreifen. Warum wird so etwas seitens des Finanzamtes geduldet, und was können Sie dagegen tun, die Lage besser in den Griff zu bekommen?
In unserer täglichen Arbeit begleitet uns das Steuergeheimnis. Deshalb können wir nicht darüber sprechen, ob und wie wir einzelne Betriebe prüfen. Dies sieht bei den Kolleginnen und Kollegen unter Innenminister Reul anders aus.

Geschäftsleute beklagen sich zum Teil über die Vorgehensweise des Finanzamtes Bochum, Bescheide mit Zahlungsaufforderungen so zu verschicken, dass diese am Freitag oder Samstag, also zum Wochenende, zugestellt werden, damit mögliche Beschwerden bis zum darauf folgenden Montag im Keim erstickt werden, Absicht oder Zufall?
Zufall. Für unsere Kolleginnen und Kollegen ist die Bearbeitung von Steuererklärungen Tagesgeschäft. Das bedeutet, dass Steuererklärungen an jedem Tag einer Woche bearbeitet werden. Entsprechend werden auch an jedem Tag einer Woche Steuerbescheide versendet. Hierbei erfolgt keine Unterscheidung, ob ein Steuerbescheid zu einer Erstattung oder einer Nachzahlung führt.

Wie stehen Sie zu Aussagen von Bürgerinnen und Bürgern, dass die meisten Stellen im Finanzamt telefonisch praktisch nicht erreichbar sind?
Ich verstehe gut, dass man bei Fragen schnell und direkt mit einem Ansprechpartner verbunden werden möchte. Deshalb haben wir zum 1. Mai eine einheitliche Telefonnummer für alle Finanzämter in NRW eingeführt. Bürgerinnen und Bürger erreichen uns seitdem montags bis donnerstags von 8 bis 18 Uhr und freitags von 8 bis 16 Uhr. Unter der Rufnummer 0211/1655 1655 beantworten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter viele Anfragen abschließend. Mein Tipp, um Stoßzeiten in der Hotline zu vermeiden: Rufen Sie uns am besten am Nachmittag an.

Frau Niemann, nun kommen wir mal zu etwas Positivem und einer Frage, die wir gerne Künstlern und Sportlern stellen. Was schätzen Sie an Bochum besonders und wo fühlen Sie sich wohl?
Ich selbst stamme aus dem nördlichen Westfalen, lebe aber schon seit mehr als zwei Jahrzehnten in Essen. Hier im Ruhrgebiet insgesamt schätze ich die direkte Ansprache der Menschen. Bochum punktet aus meiner Sicht mit vielen Attraktionen, die ich allesamt auch schon mit meiner Familie besucht habe. Ich denke da an das imposante Bergbaumuseum, das Planetarium, das Eisenbahnmuseum oder das immer wieder aufs Neue beeindruckende Musical ‚Starlight Express‘. Große Sympathien hege ich als fußballinteressierter Mensch für den VfL und seine Fans, die im Stadion an der Castroper Straße immer für eine wirklich großartige Stimmung sorgen.

Vielen Dank für das Interview.