AYSEL OSMANOGLU | BANKING FÜR PIONIERE
Foto: GLS Bank

Text: David Wienand

Fotos: GLS Bank

AYSEL OSMANOGLU | BANKING FÜR PIONIERE

Frauen in Spitzenpositionen der Wirtschaft sind leider immer noch keine Selbstverständlichkeit. Umso bemerkenswerter ist es, dass mit Aysel Osmanoglu seit 2017 eine Vorständin der Bochumer GLS Bank vorsteht, die 2023 auch deren Vorstandssprecherin wurde und zudem die Ressorts Strategie und Entwicklung, Menschen und Wertekultur, Kommunikation, Gesamtbanksteuerung sowie die Kreditsicherung des Geldinstituts verantwortet, das sich als erstes in Deutschland der Nachhaltigkeit verschrieb. Bochum macht Spaß stellt diese spannende Frau im Gespräch vor.

Frau Osmanoglu, wann und wie sind Sie zum ersten Mal auf die GLS Bank aufmerksam geworden?
Ursprünglich habe ich bei der damaligen Ökobank in Frankfurt als Werkstudentin angefangen. Damals studierte ich Betriebswirtschaftslehre und war auf der Suche nach einem Job. Die Mischung aus Bank und politischer Haltung hat mich sofort fasziniert. 2003 hat die GLS Bank dann die Geschäfte der Ökobank übernommen. So lernte ich das alternative Bankgeschäft kennen und begann nach meinem Studium ein Trainee-Programm in der GLS Bank.

Und wie ist es dazu gekommen, dass Sie sich dazu entschieden haben, für diese nach wie vor für so manchen Zeitgenossen recht exotische Bank zu arbeiten?
Durch Menschen, die sich für ihre Ideale eingesetzt haben. Es klingt vielleicht pathetisch, aber ich habe, wie gesagt, ein Wirtschaftsstudium absolviert, das eher konservativ aufgebaut war. Dagegen habe ich während meines Studi-Jobs mit Menschen zusammengearbeitet, die Ökonomie in ihrer Kernaufgabe verstanden haben. Meine Kolleginnen und Kollegen wollten in erster Linie die Gesellschaft gestalten. Dabei Frauen in Spitzenpositionen der Wirtschaft sind leider immer noch keine Selbstverständlichkeit. Umso bemerkenswerter ist es, dass mit Aysel Osmanoglu seit 2017 eine Vorständin der Bochumer GLS Bank vorsteht, die 2023 auch deren Vorstandssprecherin wurde und zudem die Ressorts Strategie und Entwicklung, Menschen und Wertekultur, Kommunikation, Gesamtbanksteuerung sowie die Kreditsicherung des Geldinstituts verantwortet, das sich als erstes in Deutschland der Nachhaltigkeit verschrieb. Bochum macht Spaß stellt diese spannende Frau im Gespräch vor. war Geld für sie ein Mittel zum Zweck. Das stand diametral zu den Glaubenssätzen, die damals noch in klassischen, rein auf Gewinnmaximierung orientierten Vorlesungen gepredigt wurden. Heute ist die Lehre weiter. Es geht nicht mehr ausschließlich darum, welcher Gewinn erzielt wird, sondern auch welche Effekte die Art und Weise, wie ich wirtschafte, auf mein Umfeld, Zulieferer, Beschäftigte oder Kunden hat. Vor über 20 Jahren war dieser Ansatz für mich ein Augenöffner und die Menschen eine Inspiration

Mittlerweile hat sich die Bank von ihren anthroposophischen Gründerinnen und Gründern distanziert. Wie wichtig war oder ist dieser Schritt für den Erfolg der Bank?
Die Gründungsgeneration der GLS Bank waren Anthroposoph* innen. Deren Impulse schätzen wir als Basis unserer Arbeit, etwa die beiden Geldqualitäten Leihen und Schenken. Mittlerweile sind auch andere Weltanschauungen in der Bank vertreten. Fast tausend Kolleg*innen bringen ihre vielfältigen Ideen, Kulturen und Meinungen in der GLS Bank ein. Die GLS Bank ist seit 50 Jahren ein Ort für jede Person – ob Mitarbeiterin oder Kunde –, der oder die unsere Gesellschaft mitgestalten möchte. Wir haben die Hiberniaschule in Herne genauso selbstverständlich finanziert, wie die Moschee in Duisburg-Marxloh.

Man muss leider heutzutage immer noch konstatieren, dass es in den Chefetagen vieler Unternehmen und auch Banken nach wie vor viel zu wenige Frauen in Führungspositionen gibt. Sie sind Vorständin und Vorstandssprecherin der GLS Bank. Sehen Sie sich auch als Vorreiterin einer Entwicklung, die schneller als bisher voranschreiten sollte?
Eine gleichberechtigte Wirtschaftswelt würde uns im 21. Jahrhundert gut zu Gesicht stehen. Ja, es ist wünschenswert, dass der Zugang zu mächtigen Entscheidungs- und Gestaltungspositionen nicht nur männlich gelesenen Menschen vorbehalten sein sollte.

Nun ist soeben der 50. Geburtstag der GLS Bank sehr festlich in der Jahrhunderthalle gefeiert worden. Was hat Ihnen an der Feier besonders gut gefallen?
Die unglaubliche Vielfalt der Bank an einem Wochenende zu erleben. Über 150 Unternehmenskunden haben gemeinsam mit der GLS Bank auf dem Gelände der Jahrhunderthalle eine der größten Nachhaltigkeitsmessen in Deutschland auf die Beine gestellt. Von Holzbauanbietern über Elektrofahrräder bis hin zu hochwertigem Biowein. Und sie war mit 14.000 Besuchern über beide Tage sehr gut besucht. Das war schon beeindruckend. Auf einer eigenen Messebühne haben Ausstellende, Besucher*innen und politische Akteure gemeinsam mit Bankmitarbeitern diskutiert – ein richtiges Gemeinschaftswerk. All diese Pioniere in ihren jeweiligen Branchen geben mir so viel Zuversicht, dass ich einfach stolz bin, sie als Bank finanzieren zu dürfen.

Warum sollte ein Kunde von einem anderen Finanzinstitut ausgerechnet zur GLS Bank, einer im Vergleich recht kleinen Bank, wechseln?
Zuallererst, weil wir exzellente Bankdienstleistungen bieten. Und weil wir nicht beim Geschichtenerzählen aufhören. Seit 50 Jahren halten wir uns an lebensfördernde Nachhaltigkeitskriterien. Wir veröffentlichen außerdem all unsere vergebenen Kredite, weil uns Transparenz wichtig ist. Außerdem vernetzen wir unsere Kunden miteinander, ob auf unserem Jubiläum oder bei Themen-Events, zu denen wir Unternehmen, Privatpersonen und Politiker*innen laden. Und schließlich bieten wir ausschließlich Bankangebote, von denen wir selbst überzeugt sind. Beraterinnen und Berater sind Spezialisten für ihre Branche, ganz ohne Provisionsregelung. Wir bieten einen Arbeitsplatz, an dem Banker gestalten und nicht bloß Kapital mehren.

Bochum ist ja beileibe keine Finanzmetropole wie Frankfurt, wo Sie u. a. studiert haben. Warum hat es eine immer größer werdende Bank nicht längst dorthin gezogen?
Das Ruhrgebiet ist für mich der Inbegriff von Transformation. Damit meine ich die wirkliche Neuausrichtung von Struktur und Wirtschaft an den Menschen. Ich wüsste keinen besseren Standort für uns als GLS Bank.

Sie selbst sind mit 18 Jahren aus Bulgarien über die Türkei nach Deutschland zum Studieren gekommen. Das klingt nach besonders erschwerten Startbedingungen für eine berufliche Karriere.
Schwerer als für manche und leichter als für einige.

Man kann über Sie lesen, dass Sie u. a. in der Natur Kraft für Ihre Arbeit tanken. Wo in der Natur des Ruhrgebiets oder gar auf Bochumer Grund können Sie das am besten?
Im Windrather Tal fühle ich mich sehr wohl. Das viele Grün und die Biohöfe dort lassen mich sofort entspannen und sind für mich Inspirationsorte. Ich bin auch häufig in der Nähe des Springorum-Radweges anzutreffen. Entweder am schönen Haus Weitmar oder auf dem Rad bergab der Ruhr entgegen.

Wenn Sie sich nicht mit den Zahlen der Bank beschäftigen oder sich in der Natur davon entspannen, welche Angebote, die Bochum zu bieten hat, nehmen Sie dann noch wahr?
Ich bin ein großer Fan von Theater-Total, gehe aber auch sehr gerne ins Schauspielhaus oder Prinz-Regent. Im Filmtheater Casablanca sehe ich mir regelmäßig sowohl Klassiker als auch Neuerscheinungen an. Zwischen Finanzwirtschaft und Kultur verfolge ich außerdem die Basketballerinnen der Bochumer Astro-Ladies. Und eigentlich bin ich auch ganz gerne im Garten unserer Zentrale an der Bochumer Christstraße. Für mich ein ganz besonderer Ort in Bochum.