CHRISTINA KALLIRI | VON OLDENBURG ÜBER ENGLAND NACH BOCHUM: „ICH BIN HIER RICHTIG!“
Fotos: André Brune

Interview: David Wienand

Fotos: André Brune

CHRISTINA KALLIRI | VON OLDENBURG ÜBER ENGLAND NACH BOCHUM: „ICH BIN HIER RICHTIG!“

Als die Diplom-Glasbildnerin Christina Kalliri nach ihrer Schulzeit eine Ausbildung im Groß- und Einzelhandel absolvierte, wusste sie bereits, dass sie der Büroarbeit weit weniger würde abgewinnen können als kreativen handwerklichen Tätigkeiten. Also ließ die gebürtige Oldenburgerin der Ausbildung ein praktisch orientiertes Studium am staatlichen International Glass Centre in der Nähe von Birmingham, England, folgen, das sie mit dem „BTEC-Diploma Level 5“ in Glastechnologie und Design abschloss. Weitere Auslandsaufenthalte in Irland und Griechenland folgten, bevor es sie nach Bochum verschlug. Wie und warum das so kam sowie weitere, spannende Details über ihre glasbildnerische Kunst verrät Christina Kalliri im Gespräch mit Bochum macht Spaß.

Kannst Du unseren Leserinnen und Lesern verraten, was Dich wann von woher nach Bochum verschlagen hat?
Nach einigen beruflichen Stopps in England, Irland und Griechenland wollte ich wieder in meine Heimat zurück, aber Oldenburg war mir dann doch zu klein. 2010 kam ich nach Bochum, um in der Glas-Produktion zu arbeiten. Sagen wir mal so: Es hat gepasst. Ich bin hier richtig! Mit im Gepäck: Meine selbstentwickelte Glas-Technik.

Du arbeitest in deiner Kunst häufig mit Bochumer Motiven. Was hat dich auf die Idee dazu gebracht?
Ich nenne mich kurz und bündig Pott-Glasmacherin, da ich für den Ruhrpott eine einzigartige, nachhaltige Foto- Schmelzglas-Technik entwickelt habe. Die Idee entstand 2021 für das 700. Jubiläumsjahr der Stadt Bochum. Da habe ich mir etwas Besonderes einfallen lassen: Sieben mal Bochumer Wahrzeichen als besonderer Blickfang für die Wand, limitiert auf 700 Stück als Hommage an meine Wahlheimat. Seitdem hat sich die Bochum-Sammlung auf zwölf Mal Bochum erweitert und verfeinert.

Nach welchen Kriterien wählst du die Motive für deine Arbeit aus?
In erster Linie geht es darum, die Umgebung, die Geschichte und die Menschen hier besser kennenzulernen. Mit Bochum natürlich als Startschuss. Ich bin schließlich nicht auf Kohle geboren – sondern auf Torf. Dabei wähle ich Highlights, die ich in recyceltem Fensterglas verewige und veredle. Für zeitlosen Urban Vintage Glanz’ im Alltag.

Kannst du bitte versuchen, den Prozess zu beschreiben, wie du deine Bochumer Motive auf das Glas bringst, mit dem du arbeitest?
Die Grundlage für jedes Stück Pott-Glas bilden eigene Fotos aus der Region. Durch ein spezielles Foto-Transfer-Verfahren werden die Bochumer Highlights in ausrangiertes Fensterglas eingeschmolzen und dann mit traditioneller Glas-Emaille und echtem Glanzgold bzw. Palladium nachhaltig veredelt. Die nostalgische Sepia-Tönung entsteht durch die circa 900 °C im Brennofen in Kombination mit Glas-Technologie und Alchemie – gebrannt für die Ewigkeit.

Wie bist du überhaupt auf die Idee gekommen, mit Glas als einer Art von „Leinwand“ zu arbeiten?
Angefangen hat alles mit meiner Leidenschaft für Kirchenfenster und dem Spiel zwischen Glas und Licht. Da wollte ich mitspielen und habe es mir seitdem zur Lebensauf-gabe gemacht, dieses Jahrtausende alte Kunsthandwerk neu zu interpretieren und nachhaltig in den Ruhrpott zu integrieren. Meine Glasarbeit entwickelt sich mit den Orten, an denen ich lebe und arbeite. So begann ich z.B. mit verrückten Licht-Skulpturen in Hutform in England und Bleiverglasung von Kirchenfenstern in Griechenland. Dann folgte schließlich ein Stück Pott-Glasgeschichte auf Stahl für das Ruhrgebiet

Du firmierst unter dem Namen „Pott-Glas“. Kann man dein Unternehmen als ein Start-Up bezeichnen?
Das Pott-Glas-Label besteht – in dieser Form – seit 2018. Es handelt sich um ein eingetragenes Gewerbe unter der Definition: „Herstellung und Einzelhandel mit Kunstgewerbe- Artikeln. Ich würde Pott-Glas.de als innovativ konzipiertes „Neustart-Up“ bezeichnen.

Sicherlich ist es nicht einfach, als Künstlerin heutzutage über die Runden zu kommen. Mit welchen Schwierigkeiten bist du zumeist konfrontiert?
Ich bin Diplom-Glasbildnerin. Das ist ein anerkannter und vielfältiger Beruf im Kunsthandwerk. Wie bei allem muss man alles geben und vieles entbehren, wenn man in der Selbstständigkeit über die Runden kommen möchte: „Selbst“ und „ständig“. Und man sollte sich nie auf seinen Lorbeeren ausruhen, sondern sich in Weitsicht üben und mit der Zeit gehen. Sonst geht man mit der Zeit.

Erfährst du Hilfe von staatlichen Institutionen?
Sagen wir mal so: Bochum tut noch Gutes für uns Kreativlinge, und ich kann dadurch Gutes wiedergeben, indem ich aktiv die Kreativ-Wirtschaft mit ankurble. Hilfe erfahre ich von der Stadt Bochum in Form von Marketing und Vernetzung. In dem Zusammenhang bin ich seit April 2023 Mitglied des Bochumer Macher-Kollektivs ByBochum e. V. Unsere Vision sind die urbane Produktion und die positive und nachhaltige Gestaltung unserer Stadt. Dabei möchten wir Sichtbarkeit erlangen und eine „made in Ruhrpott“- Welle starten. Das ist auch zeitintensive, harte Arbeit neben meiner Glas-Produktion.

Welche Resonanz auf deine künstlerische Arbeit hast du bisher erfahren?
Mein Glas-Weg war lang und schneidig, nicht steinig (lacht). Ich habe vorher in verschiedenen Ländern Europas als Freelancerin mit Glas-Unternehmen kooperiert. Z. B. habe ich in Irland und Griechenland in Glasereien bleiverglaste Fenster entworfen und umgesetzt. Das waren gut bezahlte Auftragsarbeiten. Im Harz habe ich eine Zeit lang Kinder- Workshops als „Glas-Fee“ konzipiert. Dafür wurden Fensterbilder aus Glas gepuzzelt und gebrannt. Seit meiner Gründung in Bochum und nach langer Entwicklungsarbeit sowie genügend persönlichen Entbehrungen bin ich heute sehr froh und dankbar, dass die Leute mein Pott-Glas-Projekt so zu schätzen wissen.

Wenn du an das gerade begonnene neue Jahr denkst, welche Wünsche hast du für dich als Pott-Glasmacherin?
Ich wünsche mir, gesund und bei Kräften zu bleiben, um noch viele tolle gemeinsame Projekte mit Euch in Glas umsetzen zu dürfen. Außerdem habe ich einen großen Traum: Den einer sozial-inklusiven Pott-Glas-Manufaktur. Dafür bräuchte ich aber erstmal mehr Aufträge, mehr Platz und für die Zukunft gute und fleißige, helfende Hände.