KINO IN BOCHUM | UNION - DAS TRADITIONSHAUS
Die Bochumer Kinos haben endlich wieder geöffnet, und die Zuschauer strömen in die Blockbuster, wie z. B. den neuen James Bond Film. Wir trafen uns mit Sigrid Switala, denn diese ist im Capitol, Casablanca und Metropolis für die Leitung verantwortlich und vor allem sind alle drei Kinos richtige Bochumer Kultkinotempel.
Herr Schneider, Sie sind ein alter Hase in der Kinobranche, der das Geschäft in- und auswendig kennt. Seit wann sind Sie dabei und wie sind Sie damals in die Branche gekommen?
Ich habe mich 1974 als Mitarbeiter einer deutschen Filmproduktions- und Verleihfirma, der Firma Gloria Film in München, beworben. Die haben mich dann eingestellt, weil ich für damalige Verhältnisse über ein breites Filmwissen verfügte. Ich habe dann nach kurzer Zeit festgestellt, dass ich mit 27 Jahren mit Abstand der jüngste Mitarbeiter in der Branche war, soll heißen „das Medium Film“ war durch jahrelang vernachlässigten Nachwuchs hoffnungslos überaltert.
Im Jahr 2000 haben Sie das Union Kino zusammen mit ihrer Frau Kerstin neu aufgestellt und so wunderbar renoviert, dass der alte Geist der großen Kinojahre erhalten blieb. Das Union ist seitdem eine Erfolgsgeschichte und es ist schön zu sehen, dass Bochum mit Ihrem Kino und Capitol, Metropolis und Casablanca in der City hervorragend aufgestellt ist. Wie ist denn ihre aktuelle Gemütslage nach fast zwei Jahren Corona?
Was soll ich zur Gemütslage sagen: Es herrscht sowohl bei unserem Verband, dem HDF (Hauptverband deutscher Filmtheater), wie auch bei den Kollegen und auch bei uns Ratlosigkeit, Resignation und Nichtnachvollziehbarkeit über die teilweise unterschiedlichen Entscheidungen, Verbote oder auch Genehmigungen unserer Politiker, was die Corona- Maßnahmen angeht. Das hat sich auch auf unsere Besucher übertragen und bedeutet: Viele unserer Besucher wissen bei all den neuen Verordnungen gar nicht mehr, was erlaubt ist oder auch nicht.
Durch die Pandemie haben zahlreiche Verleiher Toptitel immer wieder verschoben, beispielsweise den letzten James- Bond-Film oder auch die langerwartete Top-Gun-Fortsetzung. War das wirklich der richtige Weg? Manch einer sagt, dass die Kinos dadurch noch mehr geschwächt wurden, weil das letzte Argument, ins Kino zu gehen, durch diese Verschiebungen entfiel. Wie sehen Sie das?
Das sehe ich nicht so. Man muss sich nur vorstellen, Produzent eines Films zu sein, der gute Marktchancen hat, und dann kommt wieder eine neue Corona-Verordnung, die ja auch die Schließung eines Kinos beinhalten kann. Beispiel aus dem letzten Jahr: Sony Pictures hat am ersten November- Wochenende 2020 den Film „Blumhouse“ bundesweit gestartet. Der Film hatte ein Auswertungsfenster von gerade einmal 4 Tagen, dann mussten alle Kinos in den Lockdown. Stellen Sie sich vor, Sie wären Produzent eines Films, an dem Sie mitunter jahrelang gearbeitet haben, und dann kommt der Film raus und hat nur eine kurze Auswertungszeit. Wie wollen Sie jemals die Kosten wieder einspielen? Oder die Besucher sind aus Angst oder Vorsicht sehr zurückhaltend, was einen Kinobesuch angeht. Das beobachten wir nämlich auch. Dann wird nur in die absoluten Top-Filme gegangen, wie im Augenblick „House of Gucci“. Andere ebenfalls gute und interessante Filme bleiben dann leider sehr besucherschwach. Daher ist es, wie ich glaube, besser, wenn Filme mit einer hohen zu erwartenden Besucherzahl verschoben werden, als dass man sie jetzt auf den Markt bringt und „verbrennt“. Wir können von Glück sagen, dass der Bond zwar dreimal verschoben wurde, aber letztendlich eine fast normale Kinoauswertung erlebte.
Ein weiteres Problem sind die kurzen Zeitfenster für die Auswertung. Wenn James Bond wenige Wochen nach dem Start bereits als Kaufprodukt beim Discounter an der Kasse erhältlich ist, spricht so eine Maßnahme doch nicht für Vertrauen ins Kino, oder?
Es gibt ja auch Verleiher, wie z. B. Warner Bros. oder auch die Constantin, die uns nach wie vor längere Auswertungsfenster zur Verfügung stellen. Die kürzeren Zeitfenster an sich sind nicht das alleinige Problem. Das Problem ist, dass die Verleiher trotz kürzerer Auswertungsfenster die gleiche Leihmiete verlangen, in der Regel 53,5 % vom Eintrittskartenerlös. Leider hat unser Verband es noch nicht geschafft, die Verleiher in Verhandlungen davon zu überzeugen, dass bei kürzeren Auswertungsfenstern auch eine reduzierte Leihmiete angebracht ist.
Ich habe aktuell den Eindruck, dass weder Netflix noch Amazon Prime gut aufgestellt sind, was neue Serien angeht. Vieles ähnelt sich mittlerweile. War das vor allem in den letzten zwei bis drei Jahren nicht ein massiver Streaming- Overkill? Oder stehen wir erst am Anfang dieser Auswertungsform und es wird möglicherweise noch aggressiver und schlimmer für die Kinos? Als ich 1974 in der Brache anfing, wurde durch die damals überall neu eröffneten Videotheken der Untergang des Kinos prophezeit. Dem war, wie wir alle wissen, nicht so. Jetzt gibt es durch die diversen Streamingangebote ähnliche Prophezeiungen. Marktresultate zeigen zum Glück, dass wir bei guter Ware keine Angst vor Streamingdiensten haben müssen. Auch hier ein Beispiel: „Mulan“ wurde von Walt Disney vor dem geplanten Kinostart kurzfristig den Kinos entzogen und von Disney selber als Streamingangebot auf den Markt gebracht. Die Rechnung ging nicht auf, der Film als Stream ist nur sehr verhalten angenommen worden.
Ich bin der Ansicht, dass nichts vergleichbar ist mit einem Kinobesuch. Das gemeinsame Erlebnis, in einem großen Saal mit anderen Menschen einen Film zu schauen, ist unvergleichlich und immer wieder spannend. In Bochum sind wir mit familiengeführten Kinos doch gut aufgestellt. Es gibt ja auch noch das Kino im Bahnhof Langendreer, dass immer wieder Preise gewinnt. Wie ist ihre Einschätzung?
Ich glaube, dass das Erlebnis Kino durch nichts zu ersetzen ist. Wenn der richtige Film zu sehen ist, egal ob „Dune“, James Bond“ oder „Die Schule der magischen Tiere“ und jetzt demnächst der neue „Spiderman“: Kino ist und bleibt ein nicht zu ersetzendes Gemeinschaftserlebnis. Das erleben wir immer wieder, wenn wir vor Ort sind. Freunde, Familien und Cliquen treffen sich bei uns, um gemeinsam ins Kino zu gehen.
Was muss passieren, um das Kino wieder zu stärken?
Das Kino kann sich selbst stärken, dazu zählen meiner Ansicht nach drei wichtige Dinge: gutes Bild und guter Ton, bequeme Sitze und ein Filmangebot, das sich vom Netflix-&- Co.-Einerlei abhebt.
Welche Highlights können wir demnächst bei Ihnen im Union sehen?
Gibt es Filme mit einem verlässlichen Startdatum? Aufgrund der Corona-Pandemie halten sich die Filmverleiher verständlicherweise mit festen Startterminen zurück. Allenfalls können wir von „geplanten“ Startterminen sprechen, die coronabedingt jederzeit verschoben oder erst einmal auf „Ohne Starttermin“ gesetzt werden könnten. Aber „Der Nachname“ von Sönke Wortmann, „Tiefe Wasser“ von Adrian Lyne, „Belfast“ von Sir Kenneth Branagh, „The Batman“ von Matt Reeves, aber auch „Wunderschön“ von Karoline Herfurth , das sind einige Filme des 1. Quartals 2022, auf welche wir uns auf jeden Fall freuen können.