ANTHONY LOSILLA | EIN TRAUM VOM KLASSENERHALT IM AUSVERKAUFTEN RUHRSTADION
Foto: VFL Bochum

Interview: David Wienand

Foto: VfL Bochum

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Beim VfL Bochum 1848 sind es seit jeher immer ganz besondere, authentische Spielertypen gewesen, die die Fans zu begeistern wussten und sie auch in den oft weniger rosigen Zeiten immer ins Ruhrstadion gelockt haben. Seit er 2014 seine erste Saison im Trikot der Flutlichtblauen „anne Castroper“ gespielt hat, gehört der 35-jährige, in der französischen Industriestadt Firminy im Departement Loire geborene Mittelfeld-Akteur Anthony Losilla nicht nur zu den Leistungsträgern des VfL, sondern, wichtiger noch, zu der illustren Riege der Fan-Lieblinge, deren weitere Mitglieder hier nicht aufgezählt werden sollen, aus Ehrfurcht vor denjenigen, die möglicherweise unabsichtlich unerwähnt bleiben würden. Unumstößliche Tatsache ist, dass besagter Anthony Losilla mittlerweile zu einem echten Bochumer Jungen wurde, und daher ist es an der Zeit, den sympathischen Franzosen in einem Gespräch unseren Leserinnen und Lesern näher vorzustellen.

Nach beinahe einem Jahrzehnt in der 2. Bundesliga bist du nun endlich mit dem VfL Bochum in der 1. Liga angekommen. Wie fühlt sich das für dich an?
Es ist immer noch unglaublich! Der Verein, die Fans, das Umfeld, wir alle haben so lang darauf gewartet und sind nun zurück in der Bundesliga – ein Traum. Für mich persönlich ist damit auch ein langgehegter Wunsch in Erfüllung gegangen. Wir sind verdient aufgestiegen, mussten dabei weitestgehend ohne unsere Fans und deren Unterstützung auskommen und sind froh, dass wir ihnen und der Stadt Bochum so etwas Tolles schenken konnten. Denn auch wenn die Fans nicht im Stadion waren, haben wir doch genau mitbekommen, wie sehr sie mit uns gefiebert und uns unterstützt haben. Schön, dass es dann am Ende geklappt hat und auch ich meinen Teil dazu beitragen konnte. Der Aufstieg fühlte sich fantastisch an, die Spiele in der Bundesliga größtenteils auch.

Welche waren die bisher herausragenden Momente für dich in den Spielen in der Hinrunde?
Es sind so viele! Die Heimspiele im Vonovia Ruhrstadion sind regelrechte Feste! Die Fans pushen uns dermaßen, dass wir sogar gegen große oder großartige Teams wie Dortmund oder Freiburg punkten. Die Heimsiege mit der zum Teil unfassbaren Dramaturgie waren echte Highlights, aber auch die Auswärtsauftritte, wo unsere Fans selbst in München und Leverkusen die Begegnungen zu regelrechten Heimspielen gemacht haben. Jeder Punkt zählt, insofern sind alle Siege und Unentschieden herausragende Momente gewesen. Für mich persönlich war natürlich mein erstes Bundesligator ein besonderer Moment. Dass dieser Treffer zum wichtigen 1:0-Auswärtssieg in Fürth reichte, macht ihn umso schöner.

Wie hast du die beiden Distanz-Tore deines Mannschaftskollegen Milos Pantovic gegen Hoffenheim und Freiburg erlebt?
Natürlich aus relativer Nähe (lacht). Wahnsinns-Dinger; zurecht ist sein 66-Meter-Tor gegen Hoffenheim in die Auswahl zum „Tor des Monats“ gekommen. Die Tore waren das Sahnehäubchen auf der Torte, sie waren nicht nur spektakulär, sondern auch enorm wichtig. Für Milos freut es mich ganz besonders, denn der hatte in der Öffentlichkeit nicht immer einen leichten Stand. Dabei gibt er immer Vollgas.

Mit welchen deiner Mitspieler oder Menschen im Verein hat sich über die Jahre mehr als nur eine Team-Gemeinschaft, sondern vielleicht sogar eine Freundschaft entwickelt?
Ich respektiere alle aus der Mannschaft und komme mit allen gut klar, aber zu drei Mitspielern habe ich ein besonderes Verhältnis. Mit Manuel Riemann spiele ich beim VfL am längsten zusammen, seit mehr als sechs Jahren. Außerdem sind wir in etwa in einem Alter. Da hat sich eine Freundschaft entwickelt. Wir sprechen oft miteinander, natürlich auch unter dem Aspekt, dass wir beide Führungsspieler sind. Von der Mentalität her sind wir uns ähnlich, auch wenn Manu das anders zum Ausdruck bringt, aber wir wollen beide gewinnen – immer. Mit Robert Tesche verhält es sich ähnlich. Er ist als Profi lange im Geschäft, spielt wie ich im Mittelfeld, ist im selben Alter, lebt privat als Familienvater ein ähnliches Leben wie ich und ist einfach ein toller Mensch. Als Dritten im Bunde nenne ich Cristian Gamboa. Unsere Frauen verstehen sich gut, wir haben familiär in den letzten beiden Jahren viel gemeinsam unternommen. „Gambo“ ist wie die beiden anderen ein echter Typ, mit einer guten Mentalität.

Wie hast du – nach der Aufstiegssaison vor fast nur leeren Rängen – die Unterstützung der Fans in den Heim- und bei den Auswärtsspielen wahrgenommen?
Die Fans geben uns enorm viel Kraft in dieser Saison, sie pushen uns ungemein. In den Heimspielen sind die Gegner beeindruckt, das hat man schon von diversen Gäste-Trainern gehört, zuletzt von Christian Streich. Und wenn das jemand sagt, der schon seit zehn Jahren in der Bundesliga aktiv ist, dann sollte man sich das genau anhören. Es ist einfach der Wahnsinn. Auch auswärts, selbst wenn wir dort noch nicht die Resultate einfahren konnten, die unsere Fans verdient hätten. Aber wir arbeiten dran, sie auch in dieser Hinsicht zufriedenzustellen.

Wo siehst du den VfL Bochum am letzten Spieltag der Saison 2021/2022? Wird dein erstes Bundesliga-Jahr auf gar keinen Fall dein letztes gewesen sein?
Das will ich hoffen! Wir sind nicht aufgestiegen, um nur kurz Hallo zu sagen. Wir sind gekommen, um zu bleiben. Ich sehe den VfL, ich sehe uns nach dem letzten Spieltag auf einem Platz, der zum Klassenerhalt berechtigt. Darauf arbeiten wir hin.

Seit 2014 spielst du für den VfL Bochum. Ist aus dir in den vielen Jahren in Bochum auch ein Bochumer Junge geworden?
Das kann man schon so sagen. Die Stadt, der Verein, die Menschen sind mir ans Herz gewachsen. Das heißt nicht, dass ich meine Heimat Frankreich nicht vermisse oder ewig in Bochum wohnen bleiben werde. Aber meine Familie fühlt sich hier wohl, meine Kinder gehen hier in die Schule, haben hier ihre Freunde – das bedeutet schon viel. Ich mag Bochum sehr.

Welches – neben dem Ruhrstadion natürlich – sind deine Lieblingsorte in Bochum?
Es gibt viele schöne und interessante Orte in Bochum, aber zwei fallen mir immer wieder auf Anhieb ein. Erstens: Der Kemnader See ist toll. Ein schöner, ruhiger Ort, um mit der Familie Zeit zu verbringen, sei es zum Spazieren oder Fahrradfahren. Zweitens: Das Kontrastprogramm dazu ist der Ruhr Park. Ein großartiges Einkaufszentrum, wo immer viel los ist und man eine große Auswahl an Shops etc. hat.

Womit beschäftigst du dich, wenn du mal vom Fußball und dem ganzen Drumherum den Kopf freibekommen möchtest?
Ich bin der Typ, der sehr gerne und sehr viel Zeit mit seiner Familie verbringt. Wenn ich nicht auf dem Platz stehe, bin ich bei meiner Familie, mit meiner Frau und den Kindern unterwegs. Speziell die Kinder kosten auch viel Kraft, aber das liebe ich. Wir spielen oft zusammen und haben gemeinsam Spaß. Die beste Art, um den Kopf freizubekommen. Meine Frau und die Kinder sind das Wichtigste in meinem Leben.

Was sind deine sehnlichsten Wünsche für das Jahr 2022?
Ich denke, dass nicht nur ich, sondern ganz viele Menschen sich nach einer Normalität zurücksehnen, wie wir sie vor der Corona-Pandemie kennen und schätzen gelernt haben. Sich spontan mit Freunden treffen zu können – egal, ob im Stadion, im Café, im Restaurant, im Kino oder im Club. Ohne Masken, Testpflicht und das ganze Drumherum, das inzwischen unseren Alltag bestimmt. Ich weiß, dass es keine Zeit nach Corona geben wird, sondern nur noch eine Zeit mit Corona. Aber ich hoffe, dass wir dieses Virus und seine Varianten so schnell wie möglich in den Griff bekommen werden. Deshalb ist ein sehnlicher Wunsch, dass man gesund bleibt. Ein weiterer der, dass es meiner Familie gutgeht und dass sie glücklich ist. Und natürlich, dass der VfL den Klassenerhalt schafft. Eventuell sogar in einem ausverkauften Vonovia Ruhrstadion. Das wäre ein Traum.