TUNG-CHIEH CHUANG | MIT OFFENEN ARMEN IN BOCHUM AUFGENOMMEN
Foto: Stadt Bochum

Interview: David Wienand

Fotos: Stadt Bochum

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TUNG-CHIEH CHUANG | MIT OFFENEN ARMEN IN BOCHUM AUFGENOMMEN

Berlin, Leipzig, Kopenhagen, Helsinki, Seoul, Schanghai, Auckland – und nun Bochum. Seit der Konzertsaison 2021/2022 ist der in Taiwan geborene und als Gast-Dirigent bereits an vielen internationalen Konzerthäusern tätige Orchester- Leiter der Nachfolger von Steven Sloane als Generalmusikdirektor der Bochumer Symphoniker, kurz BoSy, und neuer Intendant des Anneliese Brost Musiforums Ruhr. Der leidenschaftliche Musiker scheint sich sehr schnell an seiner Wirkungsstätte neben dem Bermuda3Eck und in Bochum eingelebt zu haben; diesen Eindruck zumindest vermittelt der Neunundreißigjährige, der im September seinen runden Geburtstag an der Ruhr feiern wird, im Gespräch mit Bochum macht Spaß.

Herr Tung-Chieh Chuang, Sie sind nun schon einige Monate ein „Bochumer“. Wie gut haben Sie die Stadt und die Menschen, die in ihr leben, mittlerweile kennengelernt?
Ich darf mich wirklich glücklich schätzen, dass die Bochumer mich herzlich und mit offenen Armen aufgenommen haben. Nun versuche ich, so viele Menschen wie möglich aus möglichst unterschiedlichen Bereichen der Stadt zu treffen. Und natürlich ist es mir besonders wichtig, eine bestimmte Gruppe von Bochumern ganz genau und intensiv kennenzulernen: die Musikerinnen und Musiker der BoSy!

Was war Ihnen vor Ihrer Berufung nach Bochum von der Stadt bereits bekannt?
Nichts. Ich habe Bochum erst bei meinem ersten Besuch bei den BoSy 2018 kennengelernt.

Was war das alles entscheidende Kriterium für Sie, dem Ruf nach Bochum zu folgen?
Die Möglichkeiten, das Potential – sowohl der Symphoniker als auch der Stadt.

Welche Orte in der Stadt haben Sie neben dem Anneliese Brost Musikforum Ruhr bisher am häufigsten besucht?
Den Stadtpark.

Bochum ist eine sehr vielfältige Stadt, mit Orten, an denen Theater gespielt wird, Rockmusik zu hören ist, wo die Klassik zu Hause ist, viele Museen zum Besuch einladen, aber auch Fußball gespielt wird. Wird der VfL Bochum mit Ihnen einen weiteren Fan an seiner Seite haben?
Ich bin sehr interessiert an Sport und schon jetzt ein VfLFan! Ich war sehr froh, den letzten Sieg über den SC Freiburg zu sehen, und kann es kaum erwarten, das erste Spiel im Stadion zu erleben.

Ihr Vorgänger Herr Steven Sloane hat Ihnen große Fußstapfen hinterlassen, auch weil er über seine Tätigkeit bei den Bochumer Symphonikern hinaus bei vielen Menschen in der Stadt sehr beliebt war. War Ihnen bewusst, welch großes Erbe Sie in Bochum antreten?
Das Erbe eines Dirigenten besteht darin, die Musik zum Leben zu erwecken, die uns große Komponisten hinterlassen haben. Wir dienen der Musik; ohne sie sind wir nichts. Als Dirigent muss ich sehr genau wissen, welchen Beitrag ich leisten kann. Fußstapfen, Erbe und Popularität sind für mich weit weniger wichtig als die Hingabe und Konzentration auf die Musik und die Musikerinnen und Musiker des Orchesters.

Welche Dinge, die Herr Sloane bei den Symphonikern verfestigt hat, wollen Sie beibehalten, wo wollen und werden Sie eigene Akzente in Ihrer Arbeit mit dem Orchester setzen oder haben dies bereits getan?
Musizieren ist immer extrem persönlich. Auch wenn es nicht meine Priorität oder gar mein Ziel ist, die Symphoniker mit meinem Stempel zu versehen, so glaube ich doch, dass wir bereits damit begonnen haben, gemeinsam einen neuen Klang zu erarbeiten und zu präsentieren.

Können Sie uns bereits einige weitere Dinge verraten, die Sie in nicht allzu ferner Zukunft musikalisch in Angriff nehmen wollen?
In Angriff nehmen – das hört sich eher militärisch an (lacht). Natürlich weiß ein Dirigent nicht nur um die Stärken, sondern auch um die musikalischen Schwächen, die er mit seinem Orchester angehen muss. Ich denke aber, dass in der Kunst, und besonders, wenn man als Dirigent mit Musik- Profis arbeitet, der Fokus auf Problemen und deren Lösung in die falsche Richtung führt und sogar gefährlich sein kann. Ich verfolge einen eher kooperativen Stil. Ich höre meinen Musikern intensiv zu und bin sicher, dass wir uns gemeinsam zum Besseren entwickeln.

Wird es auch unter Ihrer Leitung weitere Kooperationen zum Beispiel mit dem Schauspielhaus geben?
Sehr gerne! Und sicher nicht nur mit dem Schauspielhaus. Auch mit anderen Kultur-Institutionen, der freien Szene, den Hochschulen und weiteren Akteuren des städtischen und regionalen Lebens sind Kooperationen geplant und gewünscht. Das Netzwerken ist eine große Stärke dieses Orchesters, und das wird auch so bleiben.

Werden die Symphoniker auch weiterhin die Saison mit einem Open-Air-Konzert am KAP im Bermuda3Eck beenden?
Ja. Diese gute Tradition ist unglaublich wichtig – nicht nur, weil wir damit viele Menschen erreichen, die bisher vielleicht nicht in den Konzertsaal kommen, sondern vor allem, weil sie zeigt, dass klassische Musik etwas für jeden ist, der bereit ist, zuzuhören und sein Herz zu öffnen. Und außerdem macht es uns einfach wirklich viel Spaß!

Was ist Ihr größter Wunsch für das Jahr 2022?
Ich hoffe, dass wir die Pandemie endgültig überstehen, und freue mich darauf, im kommenden Jahr noch stärker, abenteuerlustiger und inspirierter arbeiten und für unser Publikum spielen zu können!

 

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