MEKONG DELTA | VON BOCHUM HINAUS IN DIE WELT
Ralf Hubert ist nicht nur Musiker, sondern auch Bassist und Label-Gründer. 1985 gründete Hubert in Bochum die Rockband Mekong Delta. 35 Jahre später sind Mekong Delta noch immer eine der anspruchsvollsten Heavy Metal Bands aller Zeiten und weltweit genießt Ralf Hubert in musikalischen Kreisen höchstes Ansehen. Stilistisch schwanken Mekong Delta zwischen Thrash Metal, Progressive Metal und einer starken Anlehnung an Werke der klassischen, impressionistischen, expressionistischen, bis hin zur neuen Musik. Die Komplexität der Musik variiert von Album zu Album. Seit ein paar Wochen ist das neue Werk „Tales of afuture past“ erhältlich. Die Kritiken sind weltweit hervorragend.
Herr Hubert, Glückwunsch zum 11. Album ihrer Band Mekong Delta. Die Platte eröffnet mal wieder neue musikalische Sichtweiten im Heavy Metal Bereich, aber warum hat es sechs Jahre bis zum neuen Album gedauert?
Nach dem letzten Album habe ich mich zunächst wieder einmal 2 Jahre mit meiner persönlichen Nemesis, der Vertonung von Joseph Konrads Novelle “Into the Heart of Darkness“, beschäftigt. Der Rest der Zeit ist dann im Wesentlichen mit den Arbeiten an “Tales ...“ gefüllt worden und wenn man nicht sich permanent selbst repetierenden Mist im Jahresturnus veröffentlichen will, der vor tonaler und rhythmischer Einfältigkeit nur so strotzt, dann dauert das halt seine Zeit, zumal bei Mekong das gesamte Material von mir alleine geschrieben wird. Ein Jahr dauerte das Erstellen der Kompositionen, ein weiteres die Ausarbeitung und die Basis-Arrangements. Der Rest der Zeit wurde für Einspielen und die Fertigstellung der Orchester- Arrangements gebraucht, wobei Letzteres eine Menge Zeit in Anspruch nahm.
Wie schwer ist es, diese, zum Teil extremst anspruchsvoll klingenden, klassischen Elemente in ihren ganz speziellen Sound einzuweben oder ist das Arbeiten mit orchestralen Mitteln für Sie mittlerweile selbstverständlich?
Man darf nicht vergessen, dass es einer der musikalischen Hauptanliegen bei der Gründung von Mekong Delta war, Rockinstrumente gleichwertig neben denen eines Orchesters zu benutzen. Mir war sehr früh aufgefallen, dass eine verzerrte Gitarre, die bestimmte Akkordstrukturen spielt, vom Sound sehr stark an Blechbläsersätze ala Prokoview oder Shostakovich herankamen und man dies sehr gut für Metal benutzen konnte. Bereits auf dem ersten Album gibt es mehrere solcher Parts, z.B. die Einleitung des Mittelteils bei “The Cure“. Dies wurde über die Jahre immer weiterentwickelt, sodass es für mich heute normal ist, eine Gruppe mit einem Orchester zu verschmelzen. Letztendlich war das ja auch das Ziel der ganzen Übung.
Ich möchte in diesem Interview gar nicht so viel über ihre neue, erstklassige Platte sprechen, weil man bereits alles in zahlreichen Interviews und in sämtlichen namhaften Musikmagazinen lesen konnte. Ich würde gerne mit ihnen über ihre Zeit in Bochum sprechen, denn Sie haben die Bochumer Musikszene in den 80-er Jahren nachhaltig geprägt, da sie in Bochum ein Tonstudio und mit Aaarrg Records ein erfolgreiches Plattenlabel betrieben haben. Was für Erinnerungen haben Sie an diese tolle Zeit?
“… an diese tolle Zeit ?“ verklärt das wohl etwas stark. Das war in erster Linie sehr, sehr viel Arbeit. Im Gegensatz zur allgemeinen Auffassung kommt der Erfolg – auch und gerade in der Musikszene – nicht von selbst. Eine Produktion bestand aus 12 bis 16 Stunden am Tag, vielen Zigaretten und noch mehr Kaffee. Da auch das Label immer größer wurde, wir dann auch noch ein Büro in UK hatten, bin ich irgendwann nur noch zwischen Flieger, Produktion und Mekong hin und her gejumpt und das fand ich gar nicht so toll, speziell deswegen nicht, weil mir die Zeit zum Üben und Komponieren fehlte. Klar, man hat viele interessante Menschen kennengelernt und es gab auch viele coole Partys, aber die Arbeit hat deutlich überwogen, was für mich auch der Grund war, mich aus dem Label komplett zurückzuziehen und mich nur noch auf Musik und Studio zu begrenzen.
Sie haben damals auch amerikanische Bands wie Siren zu Aufnahmen nach Bochum geholt. Die Band genießt heute in Deutschland einen unfassbaren Kultstatus. Wie war das für die Amis damals, in Bochum aufzunehmen und hier mehrere Wochen zu leben und hat die Band damals Kontakt mit der lokalen Szene durch Sie aufgenommen?
Nun, da der Wohnbereich des Tonstudios allen Musikern des Labels stets zur Verfügung stand, wurden auch ziemlich schnell viele Kontakte geknüpft und die Jungs häufig zu Partys oder Proben mitgenommen, was denen wohl auch ganz gut gefallen hat. Dass Doug (Sänger von Siren) den Aufenthalt genossen hat, ist eigentlich sicher. Da wir uns auf Anhieb gut verstanden hatten, machte ich ihn mit meinem Freundeskreis bekannt. Damit war täglich wechselndes Unterhaltungsprogramm garantiert ;).
Wenn man heute von bekannten Bochumer Musikern spricht, dann fällt nicht nur der Name Herbert Grönemeyer, sondern auch Axel Rudi Pell. Sie haben mit Axel und seiner Band Steeler im Rahmen der ersten Alben zusammengearbeitet. War abzusehen, dass Axel Rudi Pell als Künstler einmal so erfolgreich sein würde oder hat Sie das im Nachhinein überrascht?
Grundsätzlich überrascht mich in der Musikszene eigentlich gar nichts mehr und Axels Erfolg habe ich auch nur am Rande mitbekommen, allerdings glaube ich nicht, dass man die ursprüngliche Musik von Steeler mit seiner vergleichen kann, denn die war schon deutlich rauer. Es dürfte wohl eher so sein, dass dort der Grundstein für seinen späteren Erfolg gelegt wurde und den gönne ich ihm – wie allen anderen Musikern – von ganzem Herzen. Davon ab, konnte ich damals so etwas so und so nicht absehen, da ich zu der Zeit noch von der irrigen Annahme ausging, dass Beherrschung des Instruments ein Kriterium für Erfolg sei. Dies habe ich mir aber über die Jahre abgewöhnt
Living Death, Holy Moses, Target, Siren, Steeler und viele andere Bands haben mit ihnen gearbeitet. Welche Band hat Sie, in musikalischer Hinsicht, im Studio äußerst positiv überrascht und was konnten Sie persönlich aus diesen vielen Produktionen mitnehmen?
Die Gruppen selbst haben eher nicht überrascht, es waren vielmehr einzelne Musiker innerhalb der Bands, die positiv herausragten. Bei den genannten Gruppen fällt mir sofort Uli Kusch ein, der als Drummer von Holy Moses mit 17 Jahren das 2te Album aufnahm, nachdem er gerade mal 2 – 3 Monate vorher eingestiegen war und bis dahin keine (!) Doublebass gespielt hatte. Ein unglaubliches Talent! Er hat dann auch mit Gamma Ray und Helloween den internationalen Durchbruch geschafft. Und dann war da noch Johann Susant, ein absolut begnadeter Bassmann von Target. Ich habe seine Karriere aber nicht weiter verfolgt.
Es wird Zeit, Sie mit ihrer Band Mekong Delta einmal in Bochum live zu sehen. Wann haben wir die Ehre?
Das ist zurzeit wohl nicht mit Gewissheit zu sagen. Es gibt da so einen kleinen RNA Schnipsel, der so ziemlich alle geplanten Live-Aktivitäten in der Musikszene durcheinanderbringt. So auch unsere für den Herbst gebuchten Konzerte in Europa, von denen eines (von 2 in Deutschland) auch in Bochum stattgefunden hätte. Das wurde nun alles erst einmal auf 2021 verlegt, wobei noch gar nicht geklärt ist, ob alle Musiker dies zeitlich hinbekommen. Mal schauen