MELISSA HEIDUK | GROSSE PERSÖNLICHKEIT UND GROSSE STIMME
Foto: Künstler, Werner Wiegand

Text:

Michael Petersen

Fotos:

Künstler, Werner Wiegand

Fotos: Künstler, Werner Wiegand

Die 1989 in Bochum geborene Melissa Heiduk gehört ohne Zweifel zu den ganz großen und starken Stimmen unserer Stadt. Durch die TV-Show „X-Factor“ gelang sie vor einigen Jahren zu deutschlandweiter Bekanntheit. Bochum macht Spaß sprach mit ihr über ihre Erfahrungen in der damaligen Zeit und über ihre Karriere im Allgemeinen.

Melissa, 2012 bist du bei X-Factor nur knapp am Sieg vorbei. Wie erinnerst du dich heute an diese Zeit?
Grundsätzlich war es eine sehr spannende Erfahrung und im Zusammenhang mit den ganzen Erlebnissen und den Leuten, wahrscheinlich eine der geilsten Zeiten in meinem Leben. Die ganze Show war für mich eine einzige Party und ich habe es sehr genossen. Die Zeit auf Ibiza sogar so sehr, dass mir das weitere Vorsingen relativ egal war. Es war wie im Traum und ich wollte nichts verpassen. An Ibiza erinnere ich mich sehr gerne zurück und diese Tage werde ich im Leben nicht vergessen.

Bei Wikipedia steht, dass du es bereits vor X-Factor mehrfach bei Castingshows versucht hast. Warum hast du dich denn überhaupt bei diesen, wie wir ja heute wissen, zum Teil sehr zweifelhaften Formaten beworben?
Na ja, warum bewirbt man sich bei solchen Formaten? Weil man gehört werden will und weil man sich eine Plattform mit Reichweite erhofft. Vielleicht aber auch, um seinen Marktwert zu testen und um es evtl. gewissen Leuten zu zeigen und zu beweisen, die nie dran geglaubt haben, dass man mit diesem Talent etwas erreichen kann. Ich war tatsächlich mindestens einmal bei allen gängigen Formaten, die es so gibt und gab. Ich passte nie ins Schema und wurde deshalb auch nie gezeigt. Bei X-Factor bin ich nach längerem Widerstreben eher durch Zufall gelandet, da mich jemand aus dem Produktionsteam eingeladen
hatte, nachdem er mich live im Duett mit Editha Abdieski gesehen hatte. Der Tag des Castings kam und ich wollte nicht hingehen, da es schon so oft nicht geklappt hatte, aber dann bin ich irgendwie zu früh aus dem Bett gefallen und wollte es doch nochmal wissen. Und so ist es dann tatsächlich passiert, dass es ziemlich weit ging.

Was hat dir die Teilnahme im Nachhinein überhaupt gebracht? Hat es für dich eine Nachhaltigkeit?
So eine Teilnahme bis ins Finale bringt natürlich eine Menge Reichweite. Dadurch, dass ich in H.P. Baxxter‘s („Sänger“ der Techno-Gruppe Scooter, die Red.) Team war, sogar bis in die osteuropäischen Länder. Da ist seine Musik sehr beliebt und so wurden unsere Produktionen auch in diesen Ländern gestreamt und verfolgt. Allerdings hat sowas auch seine Schattenseiten. Die begeisterten Leute, die solche Sendungen verfolgen, denken nach so einer Nummer leider, dass man unbezahlbar geworden ist und sowieso auf Lebenszeit ausgebucht ist. Wenn man dann niemanden hat, der sich im Business auskennt und der den Weg mitgeht und einen pusht, dann ist man im Eimer. So ist es mir im Folgejahr dann leider auch passiert.

Du hast eine tolle Stimme. Wie hast du dich denn damals auf die Auftritte im Rahmen der Show vorbereitet?
Also Vorbereitung ist so eine Sache. Wie ich bereits erwähnte spielten sich diese ganzen Monate für mich irgendwie im Zeitraffer ab und ich habe alles mitgenommen, was ich kriegen konnte und alles mitgemacht, was sich angeboten hat. Mir war es eigentlich wichtiger, die Zeit zu genießen, die ich dort mit den Leuten hatte, als mich verrückt zu machen, weil irgendwer morgen wieder meine Stimme bewertet. Allerdings war ich in den Live- Shows dann natürlich zunehmend aufgeregter und habe versucht, alles gut zu machen. Natürlich habe ich auch meine Songs geübt, aber nicht exzessiv. Ich bin aber nach wie vor davon überzeugt, dass es ein großer Fehler gewesen wäre, sich die neuen Songs bis zum Erbrechen reinzuprügeln und sich deswegen völlig verrückt zu machen. Ich habe das alles etwas gelassener gesehen, als so manch anderer dort, aber es war ja anscheinend nicht falsch. So habe ich die Zeit
wenigstens mehr genießen können als andere Teilnehmer.

Auch die Gewinner solcher Shows sind schnell wieder vergessen. Würdest du mit deinen Erfahrungen heute noch dazu raten, sich für ein solches Format zu bewerben oder fällt so etwas eher unter wertvolle Erfahrungssammlung?
In Deutschland sind solche Formate leider völlig verbraucht, da es zu viele davon gibt. Das ist das reinste Verheizen geworden, da sich keiner mehr die Menge dieser guten Sänger/ -innen behalten kann, aber wenn man den Moment nutzt, dann kann man schon damit arbeiten. Die Reichweite ist, nach wie vor da, würde ich mal behaupten. Also wenn sich jemand etwas pushen und ausprobieren möchte, dann kann ich so etwas schon empfehlen, allein vom Erfahrungswert her. Die Gunst der Stunde ist das Geheimnis und ein gutes Team um sich herum, welches weiß, welcher Schritt der Nächste und Beste ist, wäre dabei optimal.

Was ich toll finde ist die Tatsache, dass du mit dem Bochumer Saxofonisten Wolf Codera lange zusammengearbeitet hast. Wie kam es dazu?
Das stimmt. Ich habe bei den Session Possibles fast ein ganzes Jahr als „Talent des Monats“ fungiert. Es war eher aus Versehen und purer Zufall, dass Wolf und ich zusammengekommen sind. Ich habe damals noch meine Karaoke-Show im Kult gehabt und nebenbei die Gigplanung des Ladens übernommen. Er wollte gerne unsere Kollegin Vic Anselmo für seine Session haben und aus irgendeinem Grund wurde ich ihm als Kontakt vermittelt. Wir klärten
das und ich sagte ihm beiläufig, dass wenn er nochmal eine Sängerin sucht, er sich gerne bei mir melden kann und so war es dann auch. Er hatte eins von meinen lustigen Wohnzimmervideos gesehen, wo ich ein Cover gesungen habe und mich daraufhin eingeladen. Wolf war die beste Schule für alles, was musikalisch folgte. Ich glaube, ich hätte die Sendung nicht so souverän hinbekommen, wenn ich nicht vorher bei Wolf ins kalte Wasser geschmissen
worden wäre. Wolf Codera ist definitiv ein Meilenstein in meiner musikalischen Laufbahn.

Wann war eigentlich der Moment, als du gemerkt hast, dass du eine gute Stimme hast?
Ohje... gute Frage. Ich glaube, ich wusste das tatsächlich erst, als ich beim Schulband- Casting für neue Sängerinnen im Bandkeller meiner Schule stand und „To love somebody“ singen durfte, nachdem ich das gewünschte „Killing me softly“ völlig verkackt hatte. Ich habe irgendwie schon immer geträllert, früher zu Rolf Zuckowski mit meinem Walkman auf den Ohren und später vorzugsweise unter der völlig klischeefreien Dusche. Ich weiß nicht, was mich geritten hatte, mich dahinzustellen, aber auf einmal war ich in der Schulband. Das waren wohl die eigentlichen Anfänge meiner musikalischen Laufbahn.

Hast du Gesangstraining genommen oder hast du deine Stimme alleine trainiert?
Ich habe tatsächlich nie Gesangsunterricht gehabt. Ich hatte mal das Glück, ein Vocalcoaching bei Pamela Falcon zu gewinnen, aber das war es auch schon. Ich habe es mir wohl selber beigebracht bzw. mein anscheinend vorhandenes Basistalent dafür selbst ausgebaut. Nachdem ich in die Schulband kam, wurde ich von einer Schulfreundin in eine Karaoke-Bar geschleppt. Seitdem fand ich das so gut, dass ich fast jeden Abend in einer anderen Karaoke-Bar gesungen habe. Mit 18 habe ich meine erste Karaoke-Show übernommen und danach auch in mehreren Läden Karaoke moderiert. Durch das ganze Moderieren und
Singen bis teilweise 6 Uhr morgens habe ich meine Stimme anscheinend immer weiter trainiert. Übung macht halt den Meister.

Es ist schön, dass wir in Bochum viele talentierte Musiker haben. Wie beurteilst du als Bochumerin die lokale Musikszene? Gibt es etwas, was dich besonders stört oder was du besonders stark findest?
Ehrlich gesagt, bin ich etwas raus aus der aktuellen Szene, da ich mich in den letzten Jahren eher auf mein Privatleben konzentriert habe. Ich habe im November 2019 endlich mal wieder beim Acoustic Monday gespielt und fand es wieder einmal sehr schön. Das Publikum ist immer toll und ich freue mich darüber, dass das Konzept immer noch so dankend angenommen wird. Der Acoustic Monday ist ein Urgestein in der Live-Szene, genau wie das Mandragora, in dem er stattfindet. Ich lese bei Facebook allerdings zunehmend von vielen sogenannten „Hutkonzerten“ und ähnlichen Konzepten. Leider vergessen viele Leute in der Zeit von Streamingdiensten etc., dass Künstler und Musiker auch von irgendetwas leben müssen. Nur weil man bei
seiner Arbeit Spaß hat, heißt es nicht, dass man damit kein Geld verdienen muss. Sprich: Kommt von eurem Sofa und zahlt einfach mal 10 Euro Eintritt für einen lokalen Künstler, den ihr gerne hört. So supportet ihr eure Lieblingsband vor Ort am effektivsten und habt gleichzeitig ein tolles Live-Event. Dasselbe gilt für Gastronomen und Veranstalter: Zahlt vernünftige Gagen, denn mit guter Musik habt ihr den Laden voll und könnt es durchaus verkraften, einen Künstler oder eine Band angemessen für ihre Arbeit zu entlohnen. Die lokale Musik- Szene muss am Leben erhalten werden.

Was hast du in naher Zukunft vor bzw. woran arbeitest du aktuell?
Nachdem die Familienplanung soweit abgeschlossen ist, werde ich demnächst wieder vermehrt Musik machen. Die Vorbereitungen laufen bereits seit ein paar Monaten. Ich habe viele Projektideen im Kopf. Mal schauen, welche davon sinnvoll umsetzbar sind. Ab sofort kann man mich nach wie vor für Trauungen, Wohnzimmerkonzerte, Beerdigungen etc. buchen. Ich habe den Acoustic Monday mit Lay down a Dime gespielt. Ein Projekt von meinem Kollegen Dirk Kubowicz. Wir werden in Zukunft weiter zusammenarbeiten und es ist auch eine gemeinsame Produktion angedacht. Ich freue mich auf ein neues, erfolgreiches Jahr mit alten und neuen Gesichtern, mit alten und neuen Songs. Danke, für eure Augen, Ohren und Herzen und vor allem für euren Support. Denkt dran: Ohne euch sind wir Künstler/ Musiker nichts.