bochum macht spaß
Foto: VfL Bochum

ROBIN DUTT

DER NEUE VFL TRAINER IM INTERVIEW

Interview:

David Wienand

Fotos:

VfL Bochum

Foto: VfL Bochum

„Man muss ein fach authentisch sein.“
Beinahe gleich alt bzw. jung - je nach Perspektive - seien die Personen auf dem letzten Titelbild und auf dieser aktuellen Ausgabe von bochum macht spaß. Das bemerkt Robin Dutt schmunzelnd gleich beim Betrachten der vorherigen Ausgabe unseres Magazins. Dennoch trennen Kim Wilde, Jahrgang 1960 und den erzeitigen Trainer des VfL Bochum 1848, Jahrgang 1965, berufliche Welten. Die eine, Pop-Queen aus Großbritannien und in Bochum oft und gerne gesehen, der andere Fußballer und Trainer aus Leidenschaft und seit gut einem halben Jahr Chef-Coach in Bochum, der es gemeinsam mit dem neuen Geschäftsführer Sport, Sebastian Schindzielorz und seinem Co-Trainer Heiko Butscher zumindest vorübergehend geschafft hat, die Geschicke des VfL wieder in ruhige Fahrwasser zu lenken. bochum macht spaß stellt den in Köln geborenen Fußballfachmann und derzeitigen Hoffnungsträger aller VfL-Fans vor und wirft dabei einen besonderen Blick auf den Menschen Robin Dutt.

Wenn Sie sich erinnern: Was war Ihnen über Bochum bekannt, bevor man Ihnen das Angebot beim V fL machte?
Aus sportlicher Sicht war mir natürlich bekannt, dass der VfL Bochum ein Traditionsverein ist; er steht für Fußball pur, der in einer Region zwischen zwei „Großmächten“ seine Position sucht, mit harter Arbeit, die auch zur Geschichte des Ruhrgebiets passt. Außerdem weiß auch ein im Schwabenland Aufgewachsener, für was das Ruhrgebiet steht. Der Bergbau hatte und hat immer noch eine große Bedeutung hier in diesem Ballungsgebiet, welches das Revier ja auch ist. Die Menschen hier stehen also vor ganz eigenen Herausforderungen.

Welche Eindrücke sind, seitdem Sie nun schon ein halbes Jahr hier in Bochum leben und arbeiten, hinzugekommen?
Sehr viele sogar. Seitdem ich mich dazu entschieden habe, direkt am Puls dieser Stadt zu wohnen, und ich wohne wirklich mittendrin, bekommt man zwischen den sportlichen Einheiten alles mit, egal, ob das nun Bochum Total oder Bochum Kulinarisch ist und man lernt ganz nebenbei zwangsläufig die Menschen dieser Stadt näher kennen. Außerdem kann ich, denke ich, ein ganz gutes Urteil abgeben über die hier ansässigen Gastronomen, weil ich ja ohne Familie hier bin und sechs Tage in der Woche nicht nur zum Stammitaliener gehen möchte, sondern lieber viel ausprobiere. Ich denke, was nach einem halben Jahr für einen Auswärtigen in Bochum aufzusaugen ist, habe ich auch aufgesaugt.
Ich finde hier sehr aufgeschlossene, freundliche und bodenständige Menschen vor, sowohl im Verein, als auch in der Stadt. Stand jetzt fühle ich mich sehr wohl hier.

Wie lange haben Sie überlegen müssen, bis Ihre Entscheidung fest stand, nach Bochum zu kommen?
Nicht sehr lange, da ich vorher schon Kontakt zum Heiko (Anm. d. Verf.: Heiko Butscher, der Co-Trainer) hatte, den ich aus der gemeinsamen
Freiburger Zeit kenne. Inhaltlich war Bochum für mich immer ein Thema, auch als ich noch in Freiburg oder in Bremen tätig war, denn wir waren da ja auch teilweise sportliche Gegner. Als ich ohne Job war, wurde das Thema Bochum dann konkreter, allerdings standen ja noch die Gespräche mit der sportlichen Geschäftsführung und dem Aufsichtsrat an. Als das alles geklärt war, musste ich gar nicht lange überlegen.

Als Trainer muss man ja häufig den Arbeitsplatz wechseln. Sind Sie jemand, der gut damit klar kommt?
Ja, ich komme eigentlich schon damit klar, aber je älter man wird, fällt einem die Trennung von Familie und Freunden ein bisschen schwerer. Wenn man jünger ist, dann ist man zu allen Schandtaten bereit und macht Alles mit. Dieses Mal habe ich aber ganz deutlich gesagt, dass ich an sechs Tagen in der Woche rund um die Uhr für den VfL da bin. An einem Tag in der Woche entscheide ich allerdings, wie ich ihn verbringe und da ich nicht erwarten kann, dass die Familie und Freunde immer dann zu mir nach Bochum kommen, so werde ich diese Zeit somit bei ihnen verbringen. Die Familie und die Freunde bedeuten mir heute immer mehr und darauf möchte ich auf gar keinen Fall verzichten.
Ansonsten komme ich schon gut damit klar, weil mein Beruf mir sehr viel Spaß macht und ich darin aufgehe. Die sechs Tage, die ich hier lebe, genieße ich, auch, weil das Team, mit dem ich hier arbeite, zwischenmenschlich sehr gut miteinander harmoniert.

Sind bei Ihren Entscheidungen für eine Tätigkeit ausschließlich sportliche Erwägungen von Bedeutung oder muss das Gesamtpaket, also z.B. die Menschen im Verein und der Ort, also z.B. eher Großstadt- als Dorfverein, passen?
Hier lasse ich mich rein von Emotionen leiten, sportliche Emotionen, aber auch zwischenmenschliche. Für mich waren nicht Vertragslaufzeit oder Einkommen wichtig, nicht erste, zweite oder dritte Liga, nicht Deutschland oder Ausland. Für mich war wichtig, welche Werte der Verein sportlich lebt. und das Umfeld, in dem ich meinen Lebensmittelpunkt zukünftig habe. Das muss zu mir persönlich passen. Natürlich muss ich auch die sportlichen Ziele, die der Verein hat, für mich als realisierbar ansehen. Die Angebote in den letzten 18 Monaten, bevor ich zum VfL kam, erfüllten diese Kriterien nicht. Es spricht für Bochum, dass hier das Gesamtpaket anscheinend für beide Seiten gepasst hat.

Wie entspannt ist ein sechs Tage rund um die Uhr für den VfL lebender Robin Dutt, wenn er mal länger Freizeit hat?
Hier in Bochum ist immer ein gutes Abendessen mit einem interessanten Gesprächspartner bei einem Glas Wein oder im Sommer einem kühlen Fiege für mich entspannend. Außerdem habe ich, wenn ich einige Tage länger frei habe, einen Rückzugsort im Allgäu. Da lasse ich dann die Seele baumeln, genieße die Natur, mache ein bisschen Sport, Mountainbiking zum Beispiel.

Wie schaffen Sie es, mit den unterschiedlichen Spielercharakteren fertig zu werden, die ja zudem auch oft noch aus vielen unterschiedlichen Kulturkreisen stammen?
Wenn man sich als Mensch für den anderen Menschen interessiert, dann ist das überhaupt kein Problem. Wo kommt er her? Warum denkt er so? Und wenn der andere merkt, dass man sich für ihn interessiert, dann funktioniert das auch andersherum. Als Trainer hast du allerdings ca. 40 Menschen, Mannschaft und Staff, die du begleiten musst. Wenn man dann mal die Zeit hochrechnet, die für jeden Einzelnen für tiefgreifende Gespräche übrig bleibt, dann ist das verschwindend gering. Der eine Spieler beklagt das, dem anderen reicht das, dem nächsten ist das immer noch zu viel Gespräch.

Und wie gehen Sie mit der Erwartungshaltung und dem Erwartungsdruck durch den Verein und den Fans der ehemals „Unabsteigbaren“ um?
Ich denke, man muss da einfach authentisch sein. Als junger Trainer hat man vielleicht zu oft den Beteiligten nach dem Mund geredet und Erwartungen
geweckt, die nicht erfüllt werden konnten. Man muss verstehen, wo Erwartungshaltungen herkommen und dann seine persönlichen Einschätzungen dazu sachlich einbringen, ohne den anderen vor den Kopf zu stoßen. Selbst die Einschätzungen der Fans des VfL sind doch, wenn ich das richtig sehe, sehr unterschiedlich. Da gibt es den Teil der Bochums Platz in der Bundesliga sieht, ein anderer ist schon froh, wenn der VfL nicht in die 3. Liga abrutscht. Wieder andere, und das halte ich für realistisch, wünschen sich, dass der VfL sich dauerhaft unter den 25 besten Vereinen Deutschlands etablieren sollte. In der Saison sollte der Platz des VfL im oberen Teil der Tabelle sein, wenn Alles gut läuft, hängt auch ein Jahr in der 1. Liga drin. Das ist auch meine Haltung. Man wird als Trainer nicht besser dadurch, dass man sagt, man muss unbedingt in der 1. Liga spielen oder man befinde sich kurz vor der 3. Liga. Mir geht es eher um eine sachliche Betrachtung der Dinge.

Was ist Ihr bisheriger Eindruck von der Haltung der Fans des VfL Ihnen gegenüber?
Da habe ich erst einmal ein direktes Erlebnis im Stadion gehabt, als die Ostkurve gerufen hat: „Wir wollen den Trainer sehen“. Einerseits hat mich das positiv berührt, andererseits weißt du, die Kurve gehört den Spielern. Ansonsten erlebe ich nichts Negatives, eher das Gegenteil. Aufgrund dessen, dass sich die Zuschauerzahl in der Rückrunde von ca.13.000 auf zum Schluss über 20.000 gesteigert hat, fasse ich das mal als positives Feedback auf unsere gemeinsame Leistung auf. Beleidigungen hat es bisher noch nicht gegeben, aber wir haben ja auch noch nicht so oft verloren. Vielleicht sollte man mir die Frage nochmal stellen, nachdem wir dreimal in Folge nicht gewonnen haben. Den höchsten Wertschätzungsgrad von Umfeld und Verein kannst du bekommen, so wie ich es in Freiburg erlebt habe, wenn es überhaupt keine Frage ist, auch wenn du von der 1. Liga in die 2. absteigst, ob du Trainer bleibst. Da gehen alle einen gemeinsamen Weg und wenn ein Fehler gemacht worden ist, dann wird das gemeinsam analysiert. Wenn der Trainer heute eine schlechte Aufstellung gewählt hat, dann wird er das morgen wieder besser machen. Diese Art von Wertschätzung ist aber natürlich nicht von Anfang an da, sondern baut sich erst im Lauf e der Zeit auf.

Was stimmt Sie derzeit rundum zufrieden beim VfL, wo sehen Sie Bereiche, in denen Sie noch Ihre Vorstellungen umsetzen müssen?
Die Zufriedenheit ist aktuell sehr groß, was das Tagesgeschäft mit den Gremien, also auch der Geschäftsführung, angeht. Das sind perfekte Partner, weil sie einerseits die Linie vorgeben und andererseits das Gefühl vermitteln, dass sie persönliche Meinungen anderer wertschätzen. Das ist für mich als Trainer wichtig. In der Außendarstellung empfinde ich den Verein als sehr positiv, auch darin, wie die Spieler sich nach außen präsentieren. Zudem haben wir es noch nicht an die große Glocke gehängt, aber vielleicht ist es schon jemandem aufgefallen, dass es unter mir bisher kein einziges nicht-öffentliches Training gegeben hat (Anm. d. Verf.: Und alle Trainingseinheiten haben zu der Zeit stattgefunden, zu der sie auch angekündigt waren!), dass alle Trainings öffentlich zugänglich sind. Das ist eine bewusste Entscheidung, auch wenn ich nicht ausschließen mag, dass in der Zukunft das eine oder andere Training einmal
nicht öffentlich sein wird, gerade auch wegen des Standortes Bochum. Fußball pur bedeutet hier auch Fußball zum Anfassen! Absolut erstligareif ist die Infrastruktur bei VfL. Ich habe hier draußen drei Top-Trainingsplätze nur für die Profimannschaft plus das Stadion. Das hatte ich nicht in jeder
Erstligamannschaft. Das ist absolut top und ebenso das Zwischenmenschliche im engen Kreis mit den Betreuern, Physios und Analysten ist ausgezeichnet. Da geht man auch gemeinsam gerne zu Bochum Kulinarisch und trinkt ein Glas Wein zusammen, über die reine Arbeitszeit hinaus.

Wie stehen Sie zur Ausgliederung der Profi-Abteilung des V fL Bochum in eine KGaA?
Ich möchte mich vereinspolitisch als Trainer nicht zu einer Ausgliederung äußern. Als Trainer stelle ich mich aber 100%-ig hinter den Verein, wenn er den Weg der Ausgliederung geht. Für mich als Trainer ist viel mehr wichtig, ob die Werte, für die ein Verein steht, mit der Ausgliederung bestehen bleiben. Wenn ich das richtig beobachte und einschätze, dann werden in Bochum diese Werte weiterhin nicht nur gelebt, sondern auch weiter entwickelt, in einer Fußball-Landschaft, die sich kurioserweise immer weiter vom eigentlichen Spielfeld entfernt. Es werden viele Dinge heute als hauptsächlich betrachtet, die eigentlich nebensächlich sind. Der VfL scheint mir, wenn ich das in der kurzen Zeit richtig einschätzen kann, den rich tigen Weg gewählt zu haben.

Am Ende nach vorne geblickt: Werden Sie noch beim VfL sein, wenn der Verein wieder da ist, wo er hingehört, in der 1. Liga?
Das weiß ich leider nicht, weil ich ja nicht mit Sicherheit sagen kann, wann der Verein wieder in der 1. Liga spielt und wenn er da spielt, sind die Konstellationen ja wieder völlig andere. Dann ist auch wieder mehr Geld im Topf und der Verein trifft neue, auch personelle Entscheidungen und da ich, wie gesagt, nicht weiß, ob und wann der VfL wieder ein Erstligist sein wird, kann ich die Frage leider nicht oder nur so beantworten.