MILAN PESCHEL | BOCHUM IM HERZEN
Foto: Luis Zeno-Kuhn

Interview: Oliver Bartkowski

Foto: Luis Zeno-Kuhn

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Er ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler und für viele auch der beliebteste. Milan Peschel ist fleißig, witzig und vor allem menschlich und bodenständig. Ein Typ aus dem Volk, der ganz fest an das glaubt, was er tut. Das Kino hat er in den letzten Jahren mit großen Hits beschenkt, Filme wie Jim Knopf und die Wilde 13, dieRico & Oscar Reihe, Fünf Freunde oder aktuell Catweazle mit Otto Waalkes begeistern Millionen Kinogänger. Wir sprachen mit Milan über unser Schauspielhaus und unsere Stadt, seinen neuen Film „Beckenrandsheriff“ und über vieles mehr, was ihn bewegt.

Milan, lass uns einmal kurz über Bochum sprechen. Ich selbst bin mit meiner Movie Trip Show seit 8 Jahren im Schauspielhaus Bochum zu Gast. Als Bochumer liebe ich das Haus und es ist natürlich eine große Ehre, in der eigenen Stadt spielen zu dürfen. Nach unserer Show trinken wir immer gerne etwas nebenan im Jago. Dort habe ich dich auch schon ein paar mal gesehen. Was gefällt dir an Bochum und vor allem, was macht für dich die Faszination des Schauspielhauses aus?
Das Schauspielhaus ist einfach toll. Ich sagte mal in einem Interview, dass Bochum für mich eine zweite Heimat ist, von der ich gar nicht wusste, dass ich sie hatte. Das trifft aber irgendwie auf das ganze Ruhrgebiet zu. Als alter Ostberliner liebe ich einfach Städte, die auf den ersten Blick vielleicht nicht sofort schön sind, aber wo die Leute unheimlich herzlich sind. So etwas kenne ich aus Ost-Berlin und das habe ich in Bochum sofort gespürt und für mich festgestellt. Ich kam aus dem Bahnhof raus und dachte: „Hmm, irgendwie kommt dir das Alles bekannt vor“ (lacht). In Bochum wirst du einfach angequatscht und die Leute sagen dir, dass ihnen ein Stück oder deine Rolle gefallen hat. Es gibt nicht diese Distanz und das finde ich wirklich toll.

Ist dir Berlin manchmal zu groß?
Nö, ich mag Berlin so wie es ist. Es wäre auch nicht Berlin wenn es kleiner wäre. Mir gefällt es.

Du hast ja schon an vielen Theatern als Regisseur gearbeitet, u.a. am Maxim Gorki in Berlin, am deutschen Theater in Berlin, aber auch schon in Kopenhagen und natürlich 2018 am Schauspielhaus in Bochum. Gibt es Orte, an denen du dich ganz besonders wohl fühlst, wenn es um deine eigene Regie geht oder ist es meist „business as usual“?
Wenn ichTheater mache, dann bin ich sowieso immer happy und wenn dann noch die Stadt nach meinem Geschmack ist...ok, dann umso besser. Im Theater bin ich immer glücklich, denn Theater ist einfach meine Heimat. Das schöne am Bochumer Schauspielhaus ist, dass man bei den Mitarbeitern spürt, dass ihnen das Schauspielhaus wahnsinnig viel bedeutet. Das merkt man einfach sofort und ich kenne diese Gefühle aus meinem Stammtheater in Berlin, der Volksbühne. Dort ist es genauso wie in Bochum. Ich fühlte mich mit dem Bochumer Haus immer wieder sofort verbunden. Als Leander Haußmann das übernommen hat, da gab es ja so eine anarchische Truppe und das machte das Schauspielhaus besonders, einfach attraktiv und von Weitem gesehen wirkte das unglaublich sympathisch. Man spürt das ganze Familiäre und wie viele Plätze und Orte in Bochum nach Schauspielern oder Schauspielerinnen benannt sind, die mit dem Schauspielhaus verbunden waren, das einfach wunderbar.

Ich will nicht sagen, dass deine Engagements als Regisseur und Schauspieler sich die Waage halten, aber gegenüber anderen Schauspielern arbeitest du sehr häufig als Regisseur und vor allem an renommierten Theatern. Was liegt dir mehr im Blut, Theater oder die elende Warterei beim Film für die nächste Szene
(lacht sehr herzlich) Natürlich das Theater. Das ist so die Ursuppe, aus der ich komme. Der große Luxus, den ich habe, ist die Tatsache, dass ich auf vielen Hochzeiten tanzen darf und dafür bin ich sehr dankbar. Wenn ich nur das Theater hätte, dann wäre ich irgendwann vielleicht irgendwann unglücklich, daher ist es eine luxuriöse Frage und eine luxuriöse Antwort. Ich bin sehr froh und dankbar dafür, alles zu haben. Es ist schön und extrem wichtig, auch mal eine andere Luft zu schnuppern.

Kannst du dich noch daran erinnern, wann du diese Kreativität in dir entdeckt hast oder wurde sie von außerhalb entdeckt?
Nee, das ist schon eine Mischung aus allem. Mit neun Jahren wollte ich Schauspieler werden und irgendwann fing ich damit an, mich für Kunst zu interessieren. Einige Leute haben dann zu mir gesagt, dass ich das machen soll.

Es gibt unfassbar viele gute Schauspieler. Einige sind möglicherweise nicht schlechter als du, waren aber vielleicht nicht zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort oder haben einfach nicht den Agenten oder die Agentin gefunden, der/ die an sie glaubt. Glaubst du an Glück oder denkst du, dass dein Erfolg immer auch mit Fleiß und dem Willen, es schaffen zu wollen, zu tun hat?
Hmm..., Ja und Nein. Fleißig sein ist wichtig, aber Fleiß ist nicht alles. Ich bin z.B. nicht der Meinung, dass wenn man bei Theaterproben immer pünktlich anfängt, dass so etwas zur Qualität beiträgt, ganz im Gegenteil. Man muss die Fähigkeit haben, das Glück dort zu erkennen, wo es einem begegnet und es begegnet einem viel öfter, als man glaubt und manchmal erkennt man es einfach nicht. Ich habe ein paar Gelegenheiten verstreichen lassen, über die ich mich später geärgert habe, letztendlich sehe ich das aber im Großen und Ganzen. Ich hadere nie mit mir und versuche immer dort, wo ich bin, glücklich zu sein.

Auffällig ist, dass du in den letzten Jahren sehr oft im Kino zu sehen warst. Kinderproduktionen wie TKKG, Jim Knopf, Rico & Oskar oder aktuell Catweazle scheinen dir zu liegen. Du spielst das mit einer sehr angenehm anzuschauenden Leichtigkeit. Sind solche Produktionen entspannter für dich, als ernste Stoffe, wie beispielsweise „Jud Süß“?
Na ja, bei „Jud Süß“ mochte ich die Figur nicht, die ich gespielt habe, aber ich wollte unbedingt mal mit Oscar Roehler arbeiten. Natürlich kann ich bei Kindeproduktionen dem Affen noch mal Zucker geben (lacht), aber schwieriger oder leichter würde ich jetzt nicht sagen.

Oft wird bemängelt, dass es sich bei deutschen Produktionen entweder um Dramen oder Komödien handelt. Wie bewertest du die Situation im deutschen Film, wenn es um die internationale Wahrnehmung geht? Die große Zeit der Autorenfilmer scheint ja auch vorbei zu sein oder täusche ich mich da?
Also jemand wie Fassbender wird so schnell nicht mehr möglich sein. Für Actionfilme braucht man einfach viel Geld. Deutschland ist ein Filmland, dessen Filme man einfach nicht so vermarkten kann, wie amerikanische Filme. Dort ist halt das Geld für Action vorhanden. Komödie ist ja erst einmal nicht schlecht. Komödien sind zum Lachen und Lachen ist gesund. Das ist doch toll. Die Frage ist nur, ob es dann auch wirklich lustig ist. Viele finden Til Schweiger Filme toll, anderen gefällt das gar nicht. Dass Deutschland kein Filmland mehr ist, das hat mit zwei Dingen zu tun. Als wir groß waren, waren Stummfilme das Ding. Später haben die Nazis die Künstler alle vertrieben und absolute Top-Leute wie Billy Wilder und Ernst Lubitsch sind in die USA gegangen und wurden dort mit offenen Armen empfangen. Das haben wir uns teilweise auch selbst und der Technik zuzuschreiben.

Jetzt hast du „Beckenrand Sheriff“ abgedreht. Wenn das Heft mit diesem Interview erscheint, dann ist der Film gerade in den Kinos gestartet. Der Titel ist ja schon kultverdächtig und du spielst die Hauptrolle. Es geht um die Schließung eines Freibads, denn neue Wohnungen sollen auf dem Gelände gebaut werden. Du hast als Bademeister, sprich Beckenrandsheriff etwas dagegen. Die Handlung ist so etwas von aktuell, denn schließlich geht es auch um die rücksichtslose Arbeit von Baugenossenschaften, denen jedes Mittel Recht ist, um ihre Projekte durchzusetzen. So witzig der Film ist, so steckt auch eine wichtige Message dahinter, oder?
Absolut. Die Message dahinter ist total wichtig. In jeder Komödie muss ein ernsthafter Kern stecken, sonst ist es keine gute Komödie und sie ist nicht relevant. Jeder ist doch heute dazu aufgefordert, aktiv zu sein, viele Follower zu haben und jeder will seine Fähigkeiten gewinnbringend nutzen. Es hängt mir schon zum Hals heraus. Ich möchte viel mehr Verluste sehen und Sachen, die nicht auf Gewinn ausgelegt sind. Wir müssen andere Werte schaffen, sonst gehen wir daran kaputt. Von materiellen Werten können wir nicht leben. Um ein gutes Leben zu haben, brauchen wir, bzw. müssen wir, an Sachen festhalten, die sich nicht immer rechnen. Dazu gehört dann, dass wie im Film ein Freibad, Kino, Theater oder sogar ganze Landstriche, wie in Ostdeutschland, nicht einfach aufgegeben werden. Einrichtungen für junge Menschen sind wichtig, denn die brauchen eine Utopie und nicht immer nur Materielles. Wir müssen uns nicht wundern, dass die Populisten von der AFD dieses Becken der nicht vorhandenen Utopien mit leeren Versprechen abfischen.

Hat dich das Drehbuch sofort angesprochen oder hast du etwas Zeit gebraucht, um dich für die Rolle zu entscheiden?
Überhaupt nicht. Ich musste es nicht einmal lesen, denn ich wusste, ich spiele beim Rosi (gemeint ist Regisseur Marcus H. Rosenmüller) und da sage ich blind zu. Seine Filme sind toll und ich möchte ihn nicht mehr missen.

Gibt es eine Traumrolle, die du unbedingt einmal spielen möchtest oder entwickelt sich ein unbekannter Stoff auch mal zur Traumrolle?
Ach...die Traumrolle. Es gibt für mich so etwas wie eine Traumrolle nicht. Es gibt traumhafte Zeiten, die man hat und auch traumhafte Konstellationen, aber keine direkte Traumrolle. Was nutzt es mir, wenn ich Hamlet spiele, mit schlechten Kollegen und einem schlechten Regisseur. Das würde keinen Spaß machen.

Was steht in naher Zukunft noch so an?
Jetzt kommt bald die „Schule der magischen Tiere“ ins Kino. Ein sehr schöner Kinderfilm. Dann kommt „Je suis Karl“ von Christian Schwochow, für mich ein ganz wichtiger Film. Der startet bereits am 16. September, kurz vor der Bundestagswahl und danach werde ich Kanu fahren mit einem Freund in Polen (lacht). Ich habe aber auch ein schönes Projekt am Schauspielhaus in Dortmund. Dort habe ich „Früchte des Zorns“ inszeniert. Das wird dann hoffentlich am 10. Oktober auf die Bühne kommen und ich werde auch anwesend sein. Ich bleibe dem Ruhrgebiet also treu.

Wir haben es geschafft.
Cool, dann kann ich jetzt ja weiter malen (lacht).

Du malst?
Klar, ich habe heute frei, also male ich ein wenig im Hotel, bevor morgen wieder gedreht wird. Das mache ich schon seit ein paar Jahren.

Milan, vielen Dank für dieses tolle Interview und die Zeit, die du dir dafür genommen hast.
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Ich habe zu danken. Es hat Spaß gemacht und ich freue mich schon jetzt auf meinen nächsten Besuch in Bochum.

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