bochum macht spaß
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Ein Blick zurück mit Frank Bieberschulte – Teil 2

Die Kaufhalle

Interview: Frank Bieberschulte

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Im letzten Heft teilte unser Kollege Frank Bieberschulte mit uns seine wunderbaren Erinnerungen an das Kaufhaus Kortum. Schon kurz nach Verteilung unseres Magazins erreichten uns Zuschriften von Leserinnen uns Lesern, die Ähnliches erlebt und gefühlt haben. Wir erhörten also die Bitte unserer Leserschaft und Frank war so nett, uns für diese Ausgabe seine Erinnerungen an die legendäre Kaufhalle niederzuschreiben.
Viel Spaß!

Es gab damals einige gute Gründe, Geschäfte wie Kortum, Wertheim oder Karstadt im Ruhrpark aufzusuchen. Diese boten eine interessante Mischung aus Waren, auf einer großen Verkaufsfläche und mehreren Etagen. Man konnte viel Zeit in diesen Häusern verbringen und dort auf vielfältige Art und Weise fündig werden. Brauchte man allerdings kurzfristig noch ein Geschenk oder auf die Schnelle etwas für das Bad, für die Küche oder Unterwäsche, eine Krawatte oder Socken und man wusste, was man wollte, dann ging man in die Kaufhalle oder auch zu Woolworth. Hier bekam man Alles und das auch noch zu einem günstigen Preis. Solche Läden waren knapper in der Verkaufsfläche bemessen und nicht so groß wie die großen Kaufhäuser, meist waren sie ebenerdig oder auf maximal zwei Etagen begrenzt. Dort verzichtete man bewusst auf opulente Schaufensterausstattungen und auch im Inneren waren die Dekorationen eher schlicht, was sich natürlich beim Preis der Waren bemerkbar machte. Nichts sollte vom Warenangebot ablenken, welches durch Einsparungen beim Dekor und der Einrichtung umgeschlagen auf den somit günstigen Preis beim Verbraucher zu punkten wusste. Auch gab es nicht so viele Angestellte und speziell geschulte “Fräuleins“, wie in den großen Kaufhäusern. Die Abteilungen waren schnell zu erreichen, das Sortiment übersichtlich, die Preise günstig und es war auch meist jemand zu finden, den man im Zweifel zu Rate ziehen konnte. Vielleicht gut zu beschreiben als eine Mischung aus Mini-Kaufhaus und Supermarkt. Die Kaufhalle verfügte auch über eine kleine Lebensmittelabteilung, bei Woolworth in Bochum verzichtete man darauf. Niemand, den ich damals kannte, benutzte allerdings die korrekte englische Aussprache „Wuulwörss“, hier ging man „inne Wollwort“. Meiner Meinung nach ist es durchaus eine Überlegung wert, diesen Begriff zum „Weltkulturerbe“ zu erklären, zumindest aber zum “Ruhrpottkulturerbe“. Die „Wollwort“ und die Kaufhalle waren mit einem sehr ähnlichen Warensortiment ausgestattet und manch ein Kunde war der Meinung, dass die „bestimmt zusammengehören“. Ich ging früher ein bisschen lieber in die Kaufhalle, die damals dort ihren Platz hatte, wo wir heute die „Mayersche“ Buchhandlung finden. Die Gründe waren vielfältig.Die Mama war schneller überredet, wenn man ein kleines Spielzeug anschleppte, welches nicht die Welt kostete und für mich gab es auf jeden Fall noch einen zweiten Grund. Wie zu der Zeit nicht unüblich, gab es dort nämlich einen sogenannten „Erfrischungsraum“, der zwar bei Weitem nicht die Dimension des im Kortumhaus ansässigen Restaurants besaß, mir als Kind aber dennoch große Vorteile bot. Ich bekam zum einen immer wieder mal eine Bockwurst, welche die Dame hinter der Theke aus einem auf der Theke gut sichtbaren Plexiglaszylinder fischte, in dem die Würstchen warm gehalten wurden, dazu gab es eine halbe, meist recht dröge Toastbrotscheibe,
die komischerweise immer diagonal geschnitten war und zum anderen, was uns Kinder aber wohl alle wesentlich mehr in seinen Bann zog, waren die zwei transparenten Limonadenbehälter. Es gab sie in den  Geschmacksrichtungen Waldmeister und Kirsche, dementsprechend waren die Farben und etwas farblich Schöneres gab es für uns nicht, höchstens noch die glänzenden Kugeln am Weihnachtsbaum. Das eigentlich Faszinierende war dabei aber die Art der Kühlung, denn damit die Säfte nicht unansehnlich ansetzten oder abgestanden schmeckten, wurden sie immer wieder innerhalb des Behälters nach oben gepumpt, sodass die Limos permanent im Inneren wieder herunterliefen, in etwa mit einem kleinen Springbrunnen zu vergleichen. Es ist heute aus Sicht eines Erwachsenen vielleicht nur noch mit einem Blick in ein offenes Feuer oder ein Kaminfeuer zu erklären, welche Faszination dieser Anblick auf uns Kinder ausübte. Ich hätte stundenlang dort stehen können. Im Grunde hätte mich meine Mutter mit einem im Plastikbecher servierten Getränk in der Geschmacksrichtung Kirsche oder Waldmeister und meiner Bockwurst vor dem Einkauf vor diesem Getränkeautomaten platzieren und mich zwei Stunden später wieder dort abholen können. Ich denke, sie hätte mich am selben Platz vorgefunden. Einige Zeit später stand direkt vor der Kaufhalle auf einmal eine kleine Hütte, die von mir sehr wohlwollend
angenommen wurde, denn hier verkaufte ein freundlicher Herr eine seltsame Wurst, die ich so bisher noch nirgendwo gesehen hatte. Später erfuhr ich, dass es sich dabei um eine holländische Wurst namens Frikandel handelte. Hocherfreut war ich z.B. auch immer dann, wenn ich (dann natürlich schon als Jugendlicher) eine ganz bestimmte der zahlreichen Angebotsschütten vor dem Eingang erspähte:“ Jede Single 50 Pfennig“. Einiges aus meiner heutigen Plattensammlung stammt also aus dem Bestand der Kaufhalle. Die Kaufhalle war nicht nur bei mir, sondern in der gesamten Bevölkerung sehr beliebt, eben aufgrund der bereits genannten Vorzüge und besaß so auch ihren ganz eigenen Charme. In den 90er Jahren versuchte auch die Kaufhalle mit der Zeit zu gehen. So wurden viele Kaufhalle-Filialen zu moderneren „ Multistore“-Filialen umgestaltet, bevor esder italienische Textilhändler „Oviesse“ im Jahr 2000 mit einem neuen Konzept und dem Schwerpunkt auf Bekleidung ebenfalls versuchte, neuen Schwung in die Filialen zu bringen. Die letzte Filiale der Kaufhalle schloss 2007 ihre Pforten in Deutschland. Nach der Schließung der Bochumer Woolworth Filialen an der Bongardstrasse Anfang der 90er Jahre und im Ruhrpark (ca. 2010) gibt es zumindest wieder eine „Wollwort“ in Bochums City. Ich vermisse aber meine Waldmeisterlimo und den Hot Dog und ganz besonders die Vorfreude darauf.

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